Shannara VIII
erschien es ihr und ein bisschen lächerlich sogar. Hawk wäre schockiert gewesen. Er hatte sowieso geglaubt, sie würde sich niemals in jemanden verlieben. Zu unabhängig, zu starrköpfig. Sie brauchte keinen Mann und wollte keinen Mann. Seine Meinung konnte sie gut verstehen. Das Gleiche hatte sie bis vor kurzem selbst geglaubt.
Sie schob die Hände in Beks Kleidung und berührte seine Haut, legte ihre Finger auf sein Herz. Beim Zählen der Schläge schloss sie die Augen und döste ein.
Als sie aufwachte, schlief er noch. Über ihnen am Himmel zeigten sich die ersten Zeichen der Dämmerung.
»Es ist fast hell«, flüsterte sie ihm ins Ohr und weckte ihn so.
Er nickte. Einen Augenblick lang schwieg er und schüttelte den Schlaf ab. Sie spürte seinen Atem an ihrem Hals und die Kraft seiner Arme.
»Wenn wir in die Vier Länder zurückkommen«, begann er und verstummte sofort wieder. »Wenn das alles vorbei ist und wir entscheiden müssen, wo wir -«
»Bek, nein«, entgegnete sie sanft, doch entschlossen. »Sprich nicht über das, was später einmal sein wird. Mach dir keine Gedanken darüber. Es ist zu weit weg, und im Moment spielt es keine Rolle.«
Er schwieg und drückte sich an sie. Sie strich die Strähne zurück, die ihr ins Gesicht gefallen war. Er beobachtete ihre Bewegungen interessiert und streckte die Hand aus, um ihr zu helfen. »Ich muss hinunter in den Crake«, sagte er. »Ich muss Quentins Schwert holen. Bevor er aufwacht, will ich es zurückhaben.«
Sie nickte. »Also gut.«
»Passt du in der Zwischenzeit auf Grianne auf?«
Sie lächelte und küsste ihn auf die Lippen. »Geht nicht, Bek.« Sie stupste ihn leicht auf die Nasenspitze. »Ich komme mit.«
Als sie das sagte, geriet Bek in Panik. Äußerlich behielt er die Fassung, doch tief im Innern, wo seine Gefühle tun und lassen konnten, was sie wollten, geriet er außer Kontrolle. Er dachte nur mehr daran, wie viel Angst er um sie hatte und was ihr alles zustoßen könnte. Quentin war bereits Schlimmes passiert, und sein Cousin hatte wenigstens das Schwert von Leah gehabt. Rue verfügte überhaupt nicht über Magie und hatte einen Arm geschient. Wenn er sie mitkommen ließe, würde er die Verantwortung für sie beide übernehmen. Er bezweifelte, ob er das wollte, nachdem er Quentin nicht hatte beschützen können.
»Ich halte das für keine gute Idee«, antwortete er, weil er nicht wusste, was er sagen sollte, um sie nicht in Wut zu versetzen und sie damit in ihrer Entschlossenheit auch noch zu bestärken.
Sie schien sich seinen Einwand zu überlegen und lächelte dann. »Weißt du, was ich an dir am meisten mag, Bek? Nicht, wie du aussiehst oder wie du denkst, weder dein Lachen noch deine Sichtweise der Welt - obwohl ich das alles natürlich auch mag. Aber am meisten mag ich, dass du mich immer so behandelst, als wäre ich ebenso gut wie jeder andere. Das stellst du nie in Frage, und du bringst mir Respekt entgegen. Ich brauche bei dir nicht darum zu kämpfen und kann ihn als selbstverständlich voraussetzen. Ich bin dir ebenbürtig; und in mancher Hinsicht bin ich dir sogar vielleicht ein bisschen überlegen.« Sie machte eine Pause. »Dieses Gefühl möchte ich nicht zerstören.«
Darauf konnte er nichts mehr entgegnen. Also nickte er und lächelte, wofür sie ihn heftig küsste und ihm so zu verstehen gab, dass sie sein Verständnis sehr hoch schätzte. Der Kuss gefiel ihm ausgesprochen gut, trotzdem fühlte er sich nicht wohler bei dem Gedanken, sie mit nach unten nehmen zu müssen.
Die Sache war jedoch beschlossen, also stiegen sie über die Reling vom Schiff, gingen zum Rand der Felswand, folgten dem Weg zur anderen Seite und begannen schließlich mit dem Abstieg. Inzwischen war es heller geworden, und sie konnten die Schemen von Bäumen und die sanften Bewegungen der Blätter und Zweige im leisen Morgenwind ausmachen. Bek erkundete die Umgebung mit Hilfe seiner Magie, weil er nicht das Risiko eingehen wollte, überrascht zu werden, selbst wenn er auf diese Weise den anderen Graak auf sich aufmerksam machte. Denn falls der irgendwo in der Nähe war, das hatte Bek schon für sich entschieden, würden sie sofort kehrtmachen. Daran konnte auch die Kleine Rote nicht rütteln.
Doch das Glück meinte es gut mit ihnen, und sie schlichen so unsichtbar wie Geister in den Crake hinunter. Bek benutzte die Magie des Wunschliedes, um sie beide zu verhüllen, so dass sie wie ein Teil des Regenwaldes wirkten,
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