SHANNICE STARR (German Edition)
Worten zum Ausdruck gebracht hatte, so hatte Conchita sie doch verstanden. Es lag eine ungewohnte Spannung in der Luft, die selbst durch die lockeren Bemerkungen des Holländers nicht abklang.
»Bist ’ne prima Köchin, Conchita«, schmatzte Johnson und schob sich Bissen um Bissen in diese alles zermalmende Öffnung, an deren Stelle gewöhnliche Menschen einen Mund haben.
Shannice hätte würgen mögen. Ihre Antipathie gegenüber diesem Individuum steigerte sich von Minute zu Minute. Der Appetit hatte sie gänzlich verlassen. Der Anblick dieser Fressmaschine füllte gleich einem Steinblock ihren Magen. Shannices Blick kreuzte sich mit dem Conchitas. Die Mexikanerin hob bedauernd die Brauen, schickte ihrer Leidensgenossin aber gleichzeitig ein freundliches, ehrliches Lächeln herüber, das sagen wollte: Nimm’s gelassen. Gemeinsam kommen wir drüber weg.
Zum ersten Mal nutzte Shannice Starr die Gelegenheit, das Gesicht von Johnson genauestens zu untersuchen. Der Mann hatte eine fliehende Stirn und tief liegende Augen. Der Nasenrücken war krumm wie der Schnabel eines Aasgeiers, die Spitze knorpelig mit breiten Flügeln, die schon fast an Nüstern erinnerten. Wulstige, fettglänzende Lippen wurden umrahmt von harten, dunkelblonden Stoppeln. Das Kinn war markant, stark ausgeprägt und mit einer scharf geschnittenen Kerbe versehen. Tiefe Falten hatten sich überall in die grobporige Gesichtshaut gegraben. Das, was gemeinhin als Lachfältchen bezeichnet wird, stammte bei diesem Mann vom ständigen Blinzeln in die sengende Sonne der amerikanischen Wüsten und Steppen.
»O Mann, bin ich voll!« Johnson artikulierte sich unter ständigem Rülpsen, als wolle er eine Melodie vortragen. »Jetzt zwei, drei Schnäpse, und mir geht’s wieder blendend.«
»Sie wissen ja, wo’s steht«, warf Shannice ihm frostig entgegen. Conchita, ihr vis-à-vis, schüttelte unmerklich den Kopf und stand auf, um das Gewünschte zu holen.
»Warum denn so kratzbürstig?«, fragte Johnson gut gelaunt und lehnte sich in dem einfachen Holzstuhl nach hinten, wobei er die Arme hinter dem Kopf verschränkte. »Schau hin!« Er deutete auf das Hausmädchen. »Sie weiß, was sich gehört. Sie ist dem Mann zu Willen, so, wie eine gute Frau es sein sollte …«
»Trinken Sie Ihren Brandy, Mister, und lassen Sie mich zufrieden. Es gibt nichts, worüber wir zwei uns unterhalten könnten.« Shannice sah frech zu ihm herüber. »Und selbst wenn – ich werde liebend gern darauf verzichten.«
Conchita brachte eine aufwendig verzierte Weinbrandflasche mit Kristallglasverschluss, dazu ein Glas. › Dutch ‹ Johnson sah geflissentlich darüber hinweg und setzte sich die Flasche an den Hals. Seinem auf- und niederschnellenden Kehlkopf war anzusehen, dass er das teure und vor allem hochprozentige Getränk wie Wasser in sich hineinschüttete.
»Mir reicht’s!«, schob Shannice ihren Stuhl zurück und stand auf. »Ich gehe nach oben.«
Johnson stellte die Flasche ab. Er stierte Shannice hinterher, als sie den Tisch umrundete.
»Hast ’nen geilen Hintern, Rothaut«, grinste er ihr nach. »Siehst überhaupt ziemlich scharf aus.«
Shannice reagierte nicht und wollte nur aus dem Zimmer heraus.
Sie kam nicht einmal bis zur Tür!
Ein rüder Fußtritt Johnsons stieß ihr den Tisch in den Weg, sodass sie beinahe vornüber kippte und sich gerade noch mit den Handflächen an der Tischplatte abfing.
»Bist du übergeschnappt, Cowboy?«, sagte Shannice, und sie sagte es leise. Gefährlich leise.
»Ich bin es nur nicht gewohnt, die kalte Schulter gezeigt zu bekommen, wenn ich mit jemandem spreche, Baby. Schon gar nicht von einem Weibsbild. Also, komm jetzt her zu mir!« Er nahm einen weiteren, tiefen Schluck aus der Flasche und klopfte sich mit der flachen Hand mehrfach auf den Oberschenkel, als wolle er einen eigensinnigen Hund locken. Ein Blick in dieses von Furchen und Wülsten durchsetzte Gesicht mit dem auffallend schmutzigen Lächeln ließ absolut keinen Zweifel daran aufkommen, was dieser Mann sich vorgenommen hatte.
Shannice ignorierte ihn und wandte sich erneut zum Gehen.
»Hey, hey, hey!«, schnauzte › Dutch ‹ Johnson, nun leicht verärgert, und knallte die kostbare Flasche kraftvoll auf den Tisch, als er bemerkte, dass Shannice den Teufel tat, seiner Aufforderung zu folgen. »Schieb’ deine Figur zu mir rüber! Wenn ich nicht in zwei Sekunden deine Titten in den Händen halte, dann –«
Er verstummte mit lautem Würgen. Die Tischkante krachte
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