SHANNICE STARR (German Edition)
Finger wie Stahlzwingen um ihre Kehle.
»Tapferes Mädchen«, meinte der Maskierte anerkennend, aber nicht ohne Triumph. »Fast schade, dass ich dich töten muss. – Aber eben nur fast …«
»Dann hast du nun, was du wolltest«, krächzte Shannice gegen den Druck um ihren Kehlkopf. Jedes Wort verschaffte ihr ein wenig Zeit, um wieder zur Besinnung zu kommen. »Tu’s wenigstens schnell. Je eher ich in der Hölle bin, desto früher kann ich zurückkommen, um dir in den Arsch zu treten …«
»Du gibst nicht auf, was?« Dylan Slaine war sich seiner Sache vollkommen sicher. »Aber man nennt mich nicht umsonst den Schlächter. Was ich mit dir vorhabe, wird beispiellos sein.« Er drehte Shannices Kopf so, dass sie den am Erdboden liegenden Säbel sehen konnte. Nicht weit davon entfernt lag ihr Remington. Und irgendwie verlieh der Anblick der Waffe ihr für einen kurz bemessenen Augenblick neue Kraft. Ihr rechter Arm fuhr hoch – so schnell und so unerwartet, dass Slaine keine Chance zur Gegenwehr hatte. Shannices Zeige- und Mittelfinger bohrten sich in die Augen des Maskierten, stachen zu wie glühende Nadeln. Slaine brüllte auf, lockerte seinen unbarmherzigen Griff und riss die freie Hand vor die Augen. Shannice nutzte die Gelegenheit, zwischen die Beine des Schlächters zu greifen, seine Hoden zu packen, brutal zuzudrücken und diese zu verdrehen.
Das gequälte Heulen Dylan Slaines hallte schaurig durch den Stollen.
Mit einem Tritt und einem derben Faustschlag stieß sie den Schlächter von sich, stürzte zu ihrem Colt hinüber und zu der Schlangengrube. Ohne sich ein weiteres Mal zu ihrem Peiniger umzublicken, sprang sie in den Abgrund!
Kalt schlugen die Fluten über Shannice zusammen. In einem schäumenden Inferno aus Luftblasen tauchte sie in den unterirdischen Fluss ein, stieß auf den Grund und kam sogleich wieder an die Oberfläche. Sie schüttelte sich und warf einen Blick nach oben. Noch war niemand am Rande des Lochs zu erkennen, doch Shannice zweifelte keinen Augenblick daran, dass Dylan Slaine sein Opfer nicht so einfach entkommen lassen würde.
Mit kräftigen Schwimmbewegungen teilte Shannice das Wasser und wurde dabei von der leichten Strömung mitgezogen. Durch das Platschen des Wassers hörte sie kurz darauf den Aufschlag eines massigen Körpers.
Slaine!, schrie es in ihr. Er ist immer noch hinter mir her!
Shannice verdoppelte ihre Anstrengungen, kraulte durch die eisigen Fluten und stellte fest, dass die Kälte mehr und mehr ihre Muskeln lähmte. Ohne sich zu ihrem Verfolger umzudrehen schwamm sie mit dem stoischen Gleichmut einer Maschine weiter. In der Dunkelheit war es schwierig, die Umgebung zu erkennen. Dennoch glaubte sie, nicht weit voraus ein Ufer auszumachen, an dem der Flusslauf sich vorbeischlängelte. Noch einmal mobilisierte sie alle Kräfte und hielt nicht inne, bis sie schroffen, glitschigen Fels unter ihren zupackenden Fingern spürte. Es kostete sie ungeheure Anstrengung, sich daran hochziehen, doch die drohende Gefahr, die sich ihr in Form des Schlächters näherte, verlieh ihr übermenschliche Kraft.
Für einige Augenblicke blieb Shannice keuchend am Boden liegen. Aber zum Ausruhen blieb keine Zeit. Sie wälzte sich in ihrer triefnassen Kleidung auf den Rücken und zog den Remington aus dem Holster. Leise zitternd richtete sie die Mündung in jene Richtung, aus der Slaine herangeschwommen kam. Die Cheyenne würde nicht zögern, den Maskierten abzuknallen, so sehr sie es auch hasste, ihren Colt gegen einen Menschen zu richten. In diesem Fall aber ging es ums nackte Überleben. Und Shannice wollte leben!
Noch bevor sie jedoch ihren Gegner anvisieren konnte, donnerte ein Schuss. Die Kugel prallte eine Handbreit neben ihr vom Boden ab und pfiff als Querschläger umher. Shannice rollte beiseite, sprang in die Hocke und drehte sich herum. Erst jetzt sah sie drei weitere Stollengänge. Einer schien direkt ins Freie zu führen, denn leichter Lufthauch schlug ihr entgegen, und vage war das Sonnenlicht zu ahnen. Aber genau jener Tunnel wurde von einer Gestalt verdeckt, die mit rauchendem Colt dastand und plötzlich ihre Stimme erhob.
»Ich bin der rächende Arm Gottes!«, hallte es Shannice entgegen. »Und du bist die Erste, die seiner Gerechtigkeit weichen muss!«
Shannice blinzelte. Vor ihr stand tatsächlich ein Mann in der Robe eines Priesters.
»Zum Teufel!«, stieß die Halbindianerin aus. »Wenn Sie sich rächen wollen, dann an dem Kerl, der hinter mir her
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