SHANNICE STARR (German Edition)
suchte nach Wasser.« Er kam sich albern vor, auf welche Weise er versuchte, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
»Da haben Sie die Küche in der Tat leicht verfehlt«, höhnte Ruth. Das Licht ihrer Laterne entstellte ihr Gesicht zu einer furchigen Maske. Sie gab ihrem Sohn einen Wink. Henry McPherson trat ins Licht. Seine Fäuste umschlossen eine dünne Schlinge.
»Keine Angst«, sagte er unangenehm freundlich, »ich führe Sie zurück auf den rechten Weg …« Henry warf sich vor, riss Barnsley um und wickelte die Schlinge um dessen Hals. Kraftvoll zog er zu, bis der Bankier mit zuckenden Gliedern in seinen Armen erschlaffte.
»Der Tod dieses Mannes wirft ein weiteres Problem auf, Henry«, sagte Ruth McPherson rau. »Neugierige Fragen misstrauischer Personen können wir nicht gebrauchen.«
Henry hatte verstanden. Er machte sich auf den Weg in den ersten Stock, wo er den Kutscher schlafend wusste …
Der Morgennebel hing bleiern über dem Land, als Onatoga die Straßen des Reservats durchstreifte und verträumten Gedanken nachhing, Gedanken an die große Zeit der Choctaw-Indianer, als sie die Herren eines reichen und grenzenlosen Landes gewesen waren. Eine Zeit, als sie frei gewesen waren und nicht in Hütten auf abgestecktem Grund gelebt hatten.
Der Mann, der sich immer noch als Krieger fühlte, obwohl die Epoche der Kämpfe für ihn und seine Stammesgenossen lange beendet war, blickte wehmütig hinüber zu den Wäldern und weit entfernten Berghängen und sah dem Rauch nach, der aus einigen Hütten aufstieg. Man hatte die Choctaw zivilisiert, wie sich die weißen Männer ausdrückten, hatte ihnen Unterkünfte gegeben und versorgte sie mit dem, was sie zum Leben benötigten. Zu jagen brauchten sie nicht mehr – und konnten es auch nicht. Von den gewaltigen Bisonherden war kaum etwas verblieben. Die wenigen Tiere, die noch die Plains durchstreiften, würden bald alle ausgerottet sein. Der weiße Mann tat dies gezielt, um daraus Profit zu schlagen, nicht, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Obwohl es kühl war, wanderte Onatoga mit nacktem Oberkörper. Er liebte die frische Luft, den Wind und das Gefühl auf der Haut. Es war ein letzter Rest von Ursprünglichkeit, der ihm verblieben war, denn ein Leben in und mit der Natur, wie es seine Ahnen noch gekannt hatten, blieb ihm verwehrt.
Die Ruhe, die den Krieger der Choctaw erfüllte, wurde erschüttert von einem gellenden Schrei!
Augenblicklich setzte Onatoga sich in Bewegung. Es war die Stimme einer Frau gewesen, die zu ihm herübergeschallt war. Und sie schien sich in höchster Not zu befinden.
Chiquitisaw!, erkannte er die Frau anhand der Stimmenfetzen, die in größter Verzweiflung ausgestoßen wurden. Sie ist unten am Fluss!
Schnell wie eine ausgehungerte Raubkatze jagte Onatoga aus dem Dorf, den schmalen Waldpfad entlang und hinunter zum Flussufer. Das Schreien wurde lauter. Mehrere fremde Stimmen mischten sich hinein. Es war das dumpfe Raunen von Männern, die Chiquitisaw zum Schweigen bringen wollten.
Instinktiv zückte Onatoga sein Jagdmesser. Er trug es immer bei sich, auch wenn er es lediglich zum Schnitzen verwendete. Jetzt aber konnte es zu einer tödlichen Waffe werden, falls die Fremden dem Indianermädchen auch nur ein Haar gekrümmt hatten.
Onatogas Herz raste. Er preschte durch das Unterholz zwischen den peitschenden Zweigen der Bäume hindurch. Noch bevor er das Flussufer erreichte, verstummten Chiquitisaws Schreie abrupt. Die Veränderung kam so plötzlich, dass Onatoga mitten im Lauf verhielt und angestrengt in die Stille lauschte. Unhörbar tappte er vor, ließ den Wald hinter sich und schaute auf offenes Gelände. Er brauchte nur wenige Sekunden, um Chiquitisaw zu entdecken, die mehrere Dutzend Meter abseits in der Nähe eines Gebüschs von zwei Kerlen brutal festgehalten wurde. Einer hielt noch einen Kleiderfetzen in der ausgestreckten Rechten, den er dem Mädchen vom Leib gerissen hatte. Mit der linken Hand hielt er ihren Knöchel umfasst, während der andere Mann Chiquitisaw am Hals gepackt hielt und würgte.
»Lasst sie los!«, brüllte Onatoga und rannte los. Das Messer war regelrecht mit seiner Hand verwachsen, und er würde nicht zögern, die Angreifer seine Klinge spüren zu lassen.
Der Kerl, der Chiquitisaw im Würgegriff hielt, schleuderte das Mädchen zur Seite, sodass sie sich mehrmals überschlug und im seichten Wasser landete. Dann zog er seinen Colt und richtete ihn auf Onatoga, der noch im selben
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