SHANNICE STARR (German Edition)
Saloontür.
»Ich glaube nicht, dass ich das sein muss«, provozierte Smith nun ganz offenkundig.
In Deans Augen blitzte es. Nur ganz flüchtig. Dann zog und schoss er!
Shannice erwachte aus leichtem Schlaf, als sie vor dem Haus zuerst Stimmen und im Anschluss Hufgetrappel hörte. Sie schwang sich aus dem Bett und eilte zum Fenster. Warum sie dies tat, konnte sie nicht sagen. Lediglich die unbestimmte Unruhe in ihrem Innern vermochte darüber einen vagen Anhaltspunkt zu geben.
Im Halbdunkel sah sie zwei Gestalten davonreiten. Um wen es sich handelte, war nicht zu erkennen.
Immerhin zwei weniger, die mich mit ihren abweisenden Blicken durchbohren, dachte die Cheyenne. Trotz des kurzen Schlafs fühlte sie sich fit und beschloss, der Wechselstation so schnell wie möglich den Rücken zu kehren. Eilig packte sie ihre Sachen zusammen und ging nach unten. Henry McPherson war der erste, dem sie über den Weg lief. An seiner Kleidung klebte Stroh. Offenbar hatte er in der Scheune gearbeitet. Ruth und ihr Mann saßen in der Küche; ihre älteste Tochter Lindsay machte den Abwasch. Die junge Jill war nirgendwo zu sehen, ebenso wenig ihr Mann und Dean.
»Schon ausgeruht?«, begrüßte Ruth McPherson die Halbindianerin. In ihren verkniffenen Zügen las Shannice unverhohlene Abneigung, schlimmer noch, als sie es bei ihrer ersten Begegnung wahrgenommen hatte. Greg McPherson saß neben ihr und rauchte Pfeife. Er war zwar auch kein Ausbund an Herzlichkeit, aber immer noch ein Sonnenschein gegenüber seiner Frau.
»Mehr Schlaf benötige ich nicht«, erwiderte Shannice. »Außerdem habe ich noch einen weiten Ritt vor mir, und ich möchte so wenig Zeit wie es eben geht verschwenden.«
»Sicher«, kam die knappe Antwort. »Wir haben doch alle ein Ziel, das uns vorantreibt.«
»Danke für Ihr Verständnis«, sagte Shannice. Der Unterton in der Stimme der alten Frau hingegen hatte sie aufhorchen lassen. Er war von einer Art und Weise, die verriet, dass die Worte nur der Vorläufer waren für etwas, das noch folgen sollte. Shannice zermarterte sich das Hirn, ohne jedoch einen schlüssigen Hinweis zu bekommen, was die Alte womöglich ausbrütete.
Ruth McPherson stand auf, ging zum Herd, nahm die Kaffeekanne hoch und schüttete ihren Inhalt in einen Blechbecher.
»Hier, nehmen Sie!«, forderte sie Shannice auf und hielt ihr den Becher hin. »Das wird Sie wärmen. In der Nacht kann es immer noch scheußlich kalt werden.«
Woher kam plötzlich diese Freundlichkeit? Auch wenn sie aufgesetzt war, ließ Shannice sich nicht beirren, dass sie einem bestimmten Zweck diente.
Ein Gift?, schoss es ihr durch den Kopf. Ist die alte Krähe so voller Hass, dass sie mich umbringen würde? Shannice nahm den Becher entgegen, hielt ihn einige Momente unentschlossen in der Hand und setzte ihn schließlich an die Lippen. Unsinn, sagte sie sich. Das Altertümchen hat keinen Grund, mich zu hassen. Und obwohl ich ein Bastard bin, muss die Familie ans Geschäft denken und nicht an zweifelhaften Grundsätzen festhalten.
Der Kaffee war noch heiß. Shannice nippte an der Tasse, nahm dann einige größere Schlucke und ging zum Fenster. Das Kribbeln in ihrem Nacken signalisierte ihr, dass Ruth McPherson sie weiterhin beobachtete. Shannice aber ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und schlürfte ihren Kaffee. In ein paar Minuten würde sie wieder unterwegs sein. So lange konnte sie die ungastliche Stimmung noch ertragen.
»Was bekommen Sie?«, fragte Shannice schließlich und stellte den bis zur Neige geleerten Becher auf den Küchentisch.
»Sie hatten eine Mahlzeit«, rechnete Ruth zusammen, »und ein Zimmer. Da wir nur für ganze Tage vermieten, muss ich es Ihnen voll berechnen. Macht insgesamt vier Dollar.«
Shannice bezahlte und wandte sich grußlos zur Tür. Die kühle Abendluft streifte angenehm ihr Gesicht. Allerdings würden die Temperaturen noch um ein gutes Stück fallen, doch darum machte sich Shannice keine Sorgen. Seit sie in Nebraska und Wyoming die Strenge des Winters am eigenen Leib gespürt hatte, erlebte sie nun in Kansas das reinste Frühlingserwachen.
Schritte folgten den ihren. Shannice wandte leicht den Kopf und erkannte aus den Augenwinkeln Henry McPherson, den ältesten Sohn der Familie.
»Sie haben die Kutsche fortgeschafft?«, erkundigte sich die Cheyenne.
»Sie stand uns im Weg.« Henrys Worte klangen rau, so als sei er heiser.
»Wo ist mein Pferd?«
»Ich hole es Ihnen. Einen Moment, bitte.« Henry McPherson
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