SHANNICE STARR (German Edition)
länger …«
»Das geht nicht!«, begehrte Jill auf. »Noch nicht! Wir hatten doch darüber gesprochen. Haben wir erst unseren Anteil, bauen wir uns unser eigenes Leben auf. Nur wir zwei. Aber noch ist es nicht so weit.«
»Pfeif auf das Geld! Hier halte ich es nicht mehr aus. Irgendwann wird der Sheriff sich auf der Wechselstation umsehen, dann der US-Marshal. Und wenn sie entdecken, was vor sich geht, kommen sie uns holen.« Verächtlich stieß er die Luft aus. »Ein schönes Leben! Darauf kann ich verzichten.«
Nach längerem Zögern schaute Jill ihren Mann fragend an. »Hast du einen Plan?«
»Wieso sollte ich einen Plan haben?«, zischte er gereizt. »Wir packen ein paar Sachen ein und verschwinden. Am besten noch heute Nacht.«
»Ich weiß nicht recht …«, zögerte Jill.
»Lass es uns jetzt tun!«, drängte Garth. »Sonst verschieben wir die Angelegenheit, bis es zu spät ist. Ich gehe in mein Zimmer und raffe das Nötigste zusammen. Unten am Stall treffen wir uns. Und lass mich nicht stundenlang auf dich warten!«
Shannice keuchte und stemmte in verzweifelter Anstrengung die Hände gegen die Holzplatte, die auf ihr lag und ihr ein wenig Spielraum verlieh. Genug, um leichte Bewegungen zu auszuführen. Zu wenig, um länger als einige Minuten überleben zu können. Doch trotz ihrer aussichtslosen Lager gab die Cheyenne nicht auf. So lange noch ein Funken Leben in ihr war, wollte sie darum kämpfen. So, wie sie es seit frühester Jugend hatte tun müssen. Seit damals, als ihre Eltern …
Energisch vertrieb sie die düsteren Gedanken, nahm alle Kraft zusammen und drückte gegen die Holzplatte. Falls diese sich überhaupt bewegt hatte, waren es nur wenige Millimeter gewesen. Shannice atmete flach, spannte erneut die Muskeln an und musste dann doch dem Druck der Erde, mit der man sie zugeschüttet hatte, nachgeben.
Einen Moment schloss sie die Augen. Kraft durchströmte ihren Körper. Und gerade, als sie sich aufs Neue aufbäumen wollte, hörte sie zum ersten Mal die schabenden Geräusche über sich. Anfangs glaubte Shannice, einer Sinnestäuschung zum Opfer gefallen zu sein, aber die Laute wiederholten sich, setzten kurz aus und begannen von Neuem. Es war ein Scharren, als würden sich fremde Hände …
… durch das Erdreich graben!, vervollständigte sie in Gedanken.
Ganz automatisch erhöhte Shannice ihren Widerstand. Hilfe war nahe! Sie musste nur durchhalten.
Ein böser Gedanke schlich sich in ihren Verstand. Was, wenn die mordlüsterne Familie sie aus ihrer feuchten Gruft befreite, um sie noch mehr zu quälen? Was, wenn die Beerdigung nur ein grausiges Vorspiel gewesen war …?
Sie wollte nicht daran denken, doch die negativen Gefühle und Vorstellungen hafteten an ihr wie Pech und Schwefel.
Plötzlich stieß etwas dumpf gegen die Holzplatte. Wenige Augenblicke darauf wurde sie ein Stück weit angehoben, aber gleich wieder abgelegt. Shannice stellte sich vor, mit welchen Schwierigkeiten derjenige kämpfen musste, der sie befreien wollte. Loser Dreck rieselte herunter, aber sie spürte auch dankbar einen Hauch frischer Luft.
Lange dauerte es nicht mehr, bis starke Hände die komplette Platte hochrissen. Breitbeinig, die Füße seitlich in die aufgeworfene Erde gestützt, stand ein Mann, dessen Gesicht Shannice nicht erkennen konnte. Anhand seiner Kleidung jedoch konnte es sich nur um einen handeln:
»Onatoga!«, presste die Cheyenne hervor. »Dem Himmel sei Dank!«
Die Holzplatte flog zur Seite. Schwer atmend stand der Choctaw-Krieger wie ein Monument über ihr. Schließlich bückte er sich und zog Shannice hoch. Seine Finger waren schmutzverkrustet; dunkle Flecken zeigten sich auf seinem nackten Oberkörper.
»Komm!«, sagte Onatoga lediglich. Gemeinsam stiegen sie aus dem Loch.
»Wie hast du mich gefunden?«, fragte Shannice, nachdem sich ihre Lungen beruhigt hatten.
»Ich bin dir nachgeritten«, antwortete der Indianer. »Viele Stunden nach deinem Aufbruch.«
Shannice machte ein paar Schritte in die klare Nacht hinaus. »Gibt es dafür einen bestimmten Grund?« Sie dachte daran, wie sie sich leidenschaftlich geliebt hatten.
»Du bist mir nicht aus dem Kopf gegangen. Ich wollte dich wiedersehen. Ein einziges Mal noch …«
»Ich bin dir unendlich dankbar«, begann Shannice, »aber du weißt, dass es für uns keine Zukunft gibt.« Sie lauschte den Worten nach und fragte sich, weshalb sie sie gesagt hatte. Sehnte sie sich nicht auch nach einem Stück Heimat? War es
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