SHANNICE STARR (German Edition)
nicht an der Zeit, sesshaft zu werden, zu heiraten und eine Familie zu gründen – trotz ihrer dunklen Vergangenheit? Sollte sie ihren Zwist mit Cassidy nicht ruhen lassen und sich damit abfinden, was geschehen war?
Sie biss auf die Knöchel ihrer linken Hand und verharrte reglos. Onatoga bemerkte ihren inneren Widerstreit.
»Was bedrückt dich?«, wollte er wissen, kam aber nicht näher, um Shannice nicht mit seiner Berührung zu verunsichern. »Ich habe viel darüber nachgedacht wie es wäre, dich in unser Reservat aufzunehmen. Wir wären immer zusammen, könnten all die Dinge tun, für die wir nicht die Zeit gefunden haben.«
»Ein schöner Traum …«, sinnierte Shannice. »Schön und verführerisch.«
»Was hält dich zurück?«
»Ich habe es dir gesagt. Bitte, setz mich nicht unter Druck.«
Entgegen seiner vorherigen Überzeugung trat Onatoga nun doch an Shannice heran. Er stellte sich hinter sie und ergriff sie sanft bei den Schultern.
»Wie wirst du dich entscheiden?«, fragte er.
»Ich habe mich bereits entschieden.« Shannice drehte sich zu Onatoga herum und sah ihm in die Augen. »Bevor ich irgendetwas anderes mache, will ich diese Bestien in der Wechselstation krepieren sehen.«
Die Miene des Choctaw-Indianers wurde zu Stein. Er zog sein Messer aus der Lederscheide und reckte es entschlossen vor.
»Ich bin an deiner Seite«, war alles, was er sagte.
Die Nacht war kalt und windig. In der hohlen Hand rauchte Garth Gormick eine Zigarette, um die Glut zu verbergen und nicht unnötig auf sich aufmerksam zu machen. Er hatte überstürzt seine Habseligkeiten zusammengepackt und wartete nun bei der Scheune auf seine junge Frau, mit der er gemeinsam fliehen und ein neues Leben beginnen wollte. Als er bereits die zweite, aufgerauchte Zigarette unter seinem Stiefelabsatz zertrat und ins Haus eilen wollte, um nach Jill zu sehen, kam diese um die Ecke geschlurft, zwei schwere Reisetaschen in den Händen.
»Was, um Himmels willen, schleppst du da alles mit?«, zischte Garth und zügelte die Wut, die in ihm aufgestiegen war, weil er so lange hatte warten müssen. Letztlich aber war es kein Zorn, der sein Gemüt belastete, sondern die Angst, frühzeitig entdeckt zu werden. Er wollte einer direkten Konfrontation mit den McPhersons unbedingt aus dem Weg gehen.
»Wäsche, Kleider und ein paar kleine Andenken«, wisperte Jill Gormick. »Die lasse ich keinesfalls zurück.«
Garth trat in die Scheune und ging zu den Pferden, die er gesattelt hatte. Die Taschen seiner Frau band er zusammen und legte sie über den Sattel, damit sich das Gewicht gleichmäßig verteilte. »Soll mir recht sein. Nur müssen wir uns beeilen. Deine Mutter hat einen unruhigen Schlaf.«
»Denkst du, wir tun das Richtige?«, äußerte Jill halbherzig ihre Zweifel.
»Wir haben doch darüber gesprochen«, erwiderte Garth. »Je länger wir warten, desto schwieriger wird es, hier wegzukommen. Die Gelegenheit ist günstig.«
Wehmütig warf Jill einen Blick nach draußen. »Es ist nur, dass ich an diesem Ort aufgewachsen bin. Hier sind meine Wurzeln. Es ist schwer, das alles aufzugeben.«
»Fang nicht an zu diskutieren!«, schimpfte Garth. »Du selbst warst es, die der Vergangenheit den Rücken kehren wollte. Willst du warten, bis man den ganzen Clan hochnimmt und ich im Gefängnis lande? Müssen wir die Sache denn immer und immer wieder durchkauen?«
»Nein.« Jill senkte den Kopf. Sie unterdrückte ihre Tränen und stieg in den Sattel.
»So ist es gut«, lobte Garth und schwang sich ebenfalls auf sein Pferd. »Wir reiten nach Süden bis weit hinter Goodland. Alles Weitere wird sich finden.«
»Aber wir haben kaum Geld«, warf Jill ein.
»Ich finde schon eine Arbeit«, beteuerte ihr Ehemann. »Lass deiner Familie ruhig den Anteil an den Dollars, der dir zusteht. Wir fangen ganz von vorne an.«
»Das wird das Beste sein.« Jill setzte ein freudloses Lächeln auf. Dann trieb sie ihren Schecken hinter Garth her.
Als sie sich von der Wechselstation entfernten, sahen sie nicht mehr, dass im Haus das Licht anging …
Der Wind flaute ab. Von weitem waren die Lichter der Stadt zu erkennen. Garth und Jill Gormick hatten anfänglich vorgehabt, Goodland zu meiden und um die Stadt herum zu reiten. Doch die nächste Town war zu weit entfernt, und auf eine Nacht im Freien waren sie nicht eingerichtet. Also hatten sie kurzfristig beschlossen, sich ein Zimmer zu nehmen, auszuruhen und ihre Reise am kommenden Tag, der nur noch
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