SHANNICE STARR (German Edition)
Gaines. »Ich hoffe, Sie können noch ruhig schlafen, Mister Barkley.«
Die Blicke der beiden Männer hafteten unangenehm lange aneinander. Schließlich brach Barkley das Schweigen.
»Was werden Sie unternehmen, Laramie?«, wollte er wissen.
Gaines hob verblüfft die Augenbrauen.
»Ich?«, fragte er gedehnt. »Was kann ich schon ausrichten? Ich bin ein alter Mann …«
Unbehaglich knetete Barkley sein Kinn.
»Warten wir ab«, sagte er abschließend. »Manche Dinge regeln sich ganz von selbst.«
Er konnte nicht ahnen, welche Bedeutung seine Worte noch erhalten sollten. Denn in diesem Moment wankte eine Gestalt aus den Schatten zwischen den Häusern hervor.
Barkley riss die Augen auf und öffnete ungläubig den Mund.
In Lee Gaines’ Blick hingegen spiegelte sich ein feuriger Glanz …
Argwöhnisch verengte Shannice Starr ihre Augen, nachdem Denford Castle sein vieldeutiges Eingeständnis abgegeben hatte. Doch sie bekam nicht mehr die Zeit, genauere Erkenntnisse zu gewinnen, denn der Mormonenführer richtete seine nächsten Worte bereits an die Versammelten.
»Es gibt Zeiten, da stellt uns der Herr vor unerwartete Prüfungen!«, rief er aus. »Dann liegt es an uns, diese Prüfungen zu erkennen und nach ihnen zu handeln. Jetzt ist eine solche Zeit, in der wir über uns selbst hinauswachsen müssen, um dem göttlichen Willen zu entsprechen.«
Die Anwesenden hingen gebannt an Castles Lippen, obwohl ihre Mienen Verständnislosigkeit zeigten.
»Zum Teufel, Castle!«, stieß Shannice aus. »Was in aller Welt haben Sie vor?«
Denford Castle beachtete die Halbindianerin nicht, sondern sprach mit ungezügelter Leidenschaft weiter.
»Hass und Gewalt greifen um sich! Wir stehen nun am Scheideweg und müssen uns besinnen, ob wir das Unkraut der Feindseligkeit weiter wuchern lassen oder es mit Stumpf und Stiel ausrotten …!«
Shannice konnte nicht glauben, was sie hörte.
»Beenden Sie diesen Wahnsinn!«, forderte sie Castle vehement auf. »Sie verschlimmern die Situation doch nur!« Die Cheyenne ahnte, worauf Castle hinauswollte. Nur die Mittel, die er einsetzen würde, waren ihr nicht bekannt. Allerdings sollte sie darüber nicht lange im Unklaren bleiben.
»Wir müssen uns schützen, meine Brüder und Schwestern!«, nahm Castle seine Ansprache wieder auf. »Gebete allein werden dies aber nicht bewirken. Wir müssen auf dieselbe Weise zuschlagen, mit der man uns entgegentritt!«
»Was willst du uns sagen?«, kam es zaghaft aus der Menge. Ein junger Mann in einem knöchellangen Gewand trat vor.
»Ich zeige es dir!«, entgegnete Denford Castle in ungebrochener Begeisterung. »Ich zeige euch allen, wie wir den Keim des Unfriedens ersticken!« Gemessenen Schrittes ging er durch den Gemeindesaal auf den Innenhof hinaus. Die Köpfe der Männer und Frauen folgten ihm fragend.
»Lasst euch nicht für seine Zwecke einspannen!«, rief Shannice aus und versuchte, die Aufmerksamkeit der Glaubensgemeinschaft auf sich zu ziehen. »Er führt euch in einen Kampf, den ihr nicht gewinnen könnt!«
»Wir vertrauen unserem Führer«, sagte der junge Mann, als Shannice schon nicht mehr mit einer Reaktion rechnete. »Er weiß, was richtig ist. Und wir folgen ihm.«
»Habt ihr keinen eigenen Verstand?« Shannice wies auf den Colt, den Castle hatte fallen lassen, und deutete auf die Blutspur, die der verletzte Sheriff hinterlassen hatte. »Ahnt ihr auch nur entfernt, wozu Castle euch missbrauchen will?«
Augenblicke atemlosen Schweigens zogen dahin. Bevor Shannice jedoch weiter auf die Menge einreden konnte, erschien Denford Castle in der weit geöffneten Tür des Gemeindesaals. In seinen Armen lag ein halbes Dutzend Gewehre.
»Das«, hallte seine Stimme durch den Raum, »werden die Werkzeuge unserer Befreiung von der Knechtschaft der weltlichen Herrscher sein!«
»Reden Sie keinen Unsinn!«, erwiderte Shannice scharf. »Diese Menschen sind keine Krieger. Und Sie werden mit ein paar Gewehren auch keine aus ihnen machen.«
»Habt ihr nicht schon immer gemerkt, dass wir am Rande dieser Gesellschaft stehen?«, überging Castle ihren Einwurf. »Wir werden geduldet, aber nicht akzeptiert. Leben wir nicht deshalb zurückgezogen, weil man uns für andersartig hält? Wollen wir warten, bis man uns von diesem Ort vertreibt? Wollen wir tatenlos zusehen, wie Männer vom Schlage Sheriff Strother Hearts das Gesetz nach ihrem Willen verbiegen? Heute kam er allein zu uns. Morgen aber schon schickt er Soldaten. Ich weiß, dass
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