Shantaram
Prabakers Freund Kishore zu den anderen auf den Boden. Das Essen war mit Chili und verschiedenen Currys gewürzt und sowohl schärfer als auch viel köstlicher als alles, was man in den Restaurants der Stadt bekam. Wie üblich aßen die Frauen getrennt an ihrer eigenen, etwa fünf Meter entfernten Festtafel. Karla war die einzige Frau in unserer Runde, die aus ungefähr zwanzig Männern bestand.
»Wie gefällt dir die Party?«, fragte Johnny Cigar Karla, als der zweite Gang aufgetragen wurde.
»Sehr gut«, antwortete sie. »Prima Essen. Tolle Location.«
»Ah! Da ist ja der neue Papa!«, rief Johnny. »Dilip! Das hier ist die Miss Karla, eine Freundin von Lin, die gekommen ist, um mit uns zu essen.«
Dilip verbeugte sich mit zum Gruß aneinandergelegten Händen und ging dann mit schüchternem Lächeln wieder weg, um die Teezubereitung an zwei großen Kochern zu beaufsichtigen. Er arbeitete als Gerüstbauer. Der Bauleiter hatte ihm heute frei gegeben, damit er dieses Festmahl für seine Freunde und Verwandten organisieren konnte. Seine Hütte stand jenseits des Zaunes im legalen Teil des Slums, nicht weit von meiner entfernt. Uns trennte sozusagen nur der Zaun voneinander. Neben der Festtafel der Frauen, hinter Dilips Teekochern, versuchten gerade zwei Männer, etwas von der Wand wegzuschrubben. Das Wort, das jemand dort hingeschrieben hatte, war immer noch zu erkennen. In lateinischen Großbuchstaben stand da: SAPNA.
»Was bedeutet das?«, fragte ich Johnny Cigar. »Dieses Wort sehe ich in letzter Zeit überall.«
»Etwas Schlimmes, Linbaba«, stieß er hervor und bekreuzigte sich abergläubisch. »Ist der Name von einem Dieb, einem Goonda. Einem ganz schlimmen Typen. Er hat viel Böses getan, in der ganzen Stadt. Einbrüche, Diebstähle, sogar Mord.«
»Hast du Mord gesagt?«, fragte Karla. Sie presste die Lippen zusammen, und ihre Miene war angespannt.
»Ja!«, bestätigte Johnny. »Erst waren es nur Wörter, auf Plakate und Wände und Mauern. Aber jetzt sind es Morde, kaltblütige Morde. Erst gestern Nacht sind zwei Leute umgebracht worden. In ihrem eigenen Haus!«
»Der ist so verrückt, dieser Sapna, dass er sogar einen Frauennamen benutzt«, höhnte Jeetendra.
Er hatte recht. Das Wort sapna, Traum, war ein Femininum und als Frauenname recht verbreitet.
»So sehr viel verrückt auch nicht«, hielt Prabaker dagegen. Seine Augen leuchteten, doch seine Miene war ernst. »Sagt er, ist er König von alle Diebe. Sagt er, macht er Krieg, weil er will uns helfen die Armen. Will er töten alle die Reiche. Ist das verrückt, ja – aber solche Art von verrückt, wo nicken viele die Leute in ihre Kopf ganz heimlich.«
»Wer ist er?«, fragte ich.
»Keiner weiß, wer er ist, Lin«, sagte Kishore in dem gedehnten, amerikanisch klingenden Englisch, das er von den Touristen gelernt hatte. »Viele Leute reden über ihn, aber ich kenne niemanden, der ihn schon mal gesehen hat. Angeblich ist er der Sohn von einem reichen Mann. Er soll aus Delhi stammen. Und er soll enterbt worden sein. Manche Leute behaupten auch, er wäre ein Teufel. Und manche Leute glauben, dass er gar kein Mann ist, sondern so eine Art Organisation. Überall hängen Plakate herum, auf denen die Diebe und die armen Schweine aus den Zhopadpatties aufgefordert werden, verrückte Sachen zu machen. Und jetzt sind, wie Johnny gesagt hat, zwei Leute ermordet worden. In ganz Bombay wird der Name Sapna auf Straßen und Wände geschmiert. Und die Bullen stellen eine Menge Fragen. Ich glaube, sie haben Angst.«
»Haben sie auch viel schlimme Angst die reiche Leute«, fügte Prabaker hinzu. »Weil es waren viel reiche Leute, diese pechvolle Menschen, die sind getötet bei sich in ihre Zuhause. Diese Sapna-Bursche schreibt er sein Name auf Englisch, nicht auf Hindi. Ist er gebildet. Und wer hat sein Name geschrieben an die Wand, hier oben? Sind sie immer hier die Leute. Arbeiten sie hier, schlafen sie hier, und hat keiner gesehen, wer geschrieben hat der Name. Ist es ein gebildete Gespenst! Haben sie Angst, die reiche Leute. Ist er nämlich nicht so verrückt, diese Sapna-Bursche.«
»Madachudh! Pagal!«, stieß Johnny hervor. Dieses Arschloch! Dieser Irre! »Er bringt Ärger, dieser Sapna, und es wird unser Ärger sein, das sage ich euch, weil Ärger nämlich alles ist, was wir arme Schlucker bekommen und was wir erlaubt sind zu besitzen.«
»Vielleicht sollten wir mal das Thema wechseln, Jungs«, warf ich mit einem Blick auf Karla ein. Sie war bleich und
Weitere Kostenlose Bücher