Shantaram
dann heraus: »Es geht um ein Mädchen, eine Freundin von mir. Lisa. Sie hat sich in eine ziemlich üble Lage reinmanövriert. Sie hat angefangen, in so einem Laden zu arbeiten, so einem Schuppen für ausländische Callgirls. Jedenfalls hat sie Scheiße gebaut, und jetzt ist sie verschuldet, richtig hoch verschuldet. Und die Bordellbesitzerin will sie nicht gehen lassen. Sie muss da unbedingt raus.«
»Also ich hab nicht viel, aber …«
»Es geht nicht um die Kohle. Das Geld habe ich. Aber die Frau, der dieser Laden gehört, hat einen Narren an Lisa gefressen. Sie wird sie niemals gehen lassen, selbst wenn wir zahlen. Ich kenne die. Das Ganze ist mittlerweile persönlich geworden, das Geld ist nur ein Vorwand. In Wirklichkeit will sie Lisa brechen, sie vernichten. Langsam, aber sicher. So lange, bis sie einknickt. Bis nichts mehr von ihr übrig ist. Diese Frau hasst sie, denn Lisa ist schön und intelligent und kraftvoll. Sie wird sie nicht gehen lassen.«
»Wie, sollen wir sie mit Gewalt da rausholen?«
»Nicht unbedingt.«
»Ich kenne ein paar Leute«, sagte ich und dachte sofort an Abdullah Taheri und seine Mafia-Freunde, »die haben keine Angst vor einer Schlägerei. Wir könnten sie um Hilfe bitten.«
»Nein, solche Freunde habe ich auch. Die könnten Lisa problemlos rausholen. Aber das würde nichts an ihrer Lage ändern. Früher oder später würden die schweren Jungs sie trotzdem suchen und sich an ihr rächen. Und die Typen machen keine halben Sachen. Die benutzen Säure. Lisa wäre nicht die Erste, die Säure ins Gesicht gekippt kriegt, weil sie sich gegen Madame Zhou gestellt hat.Das dürfen wir nicht riskieren.Wir müssen es schaffen, dass sie Lisa in Ruhe lässt, und zwar für immer.«
Mir war nicht wohl bei der Sache. Ich spürte, dass mehr dahintersteckte, als Karla mir verriet.
»Hast du gerade Madame Zhou gesagt?«
»Ja – hast du von ihr gehört?«
»Dies und das«, sagte ich und nickte. »Aber ich weiß nicht, was ich davon glauben soll. Was man ihr nachsagt, ist ziemlich wild und übel.«
»Was das Wilde angeht … dazu kann ich nichts sagen … aber das Üble stimmt alles, das kannst du mir glauben.«
Das fand ich wenig beruhigend.
»Warum verschwindet sie denn nicht einfach, deine Freundin? Warum steigt sie nicht ins nächste Flugzeug und fliegt dahin zurück, wo – woher kommt sie noch mal?«
»Sie ist Amerikanerin. Schau, wenn ich sie dazu bringen könnte, wieder in die Staaten zurückzugehen, wäre alles kein Problem. Aber sie will nun mal nicht. Sie will in Bombay bleiben. Sie ist heroinsüchtig. Das ist einer der Hauptgründe. Aber da ist noch mehr – Geschichten aus ihrer Vergangenheit, denen sie sich nicht stellen möchte. Deshalb will sie nicht zurück. Ich habe versucht, sie zu überreden, aber es hat keinen Zweck. Sie … sie will einfach nicht. Und ich kann es ihr nicht verdenken. Jeder hat so seine Geschichten, ich auch – Sachen aus meiner Vergangenheit, mit denen ich mich nicht mehr beschäftigen will und nicht mehr beschäftigen werde.«
»Und, hast du einen Plan – wie wir sie da rauskriegen, meine ich?«
»Ja. Du sollst dich als Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft ausgeben, eine Art Konsularbeamter. Ich habe schon alles vorbereitet. Du musst nicht viel tun. Das Reden übernehme zum größten Teil ich. Wir erzählen denen, dass Lisas Vater in Amerika ein hohes Tier ist und Beziehungen zur Regierung hat. Und dass du Anweisung hast, sie da rauszuholen und danach ein Auge auf sie zu haben. Das sage ich denen bereits im Vorfeld, bevor du auch nur einen Fuß in diesen Laden gesetzt hast.«
»Hört sich in meinen Ohren ziemlich wacklig an, Karla. Meinst du wirklich, dass wir damit durchkommen?«
Sie zog eine Packung Beedies aus der Tasche und zündete zwei davon mit einem Feuerzeug an, indem sie die kleinen Zigaretten in eine Hand nahm und die Flamme darunter hielt. Sie reichte mir eine und zog tief an ihrer, bevor sie mir antwortete.
»Ich glaube schon. Mir ist nichts Besseres eingefallen. Ich habe mit Lisa darüber geredet, und sie meint auch, dass es klappen wird. Wenn Madame Zhou ihr Geld kriegt und denkt, du wärst von der Botschaft, und wenn sie sicher ist, dass sie Ärger mit der Botschaft oder sogar mit der Regierung bekommt, falls sie Lisa noch länger schikaniert, wird sie sie in Ruhe lassen, glaube ich. Das sind viele ›Wenn‹, ich weiß. Und letztlich hängt viel von dir ab.«
»Und von ihr, von dieser … Bordellbesitzerin. Meinst du
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