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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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jedem schönen Laut, den der Wind mir zutrug. Ich sah ihr Gesicht in schillernden Spiegelbildern der Erinnerung, jeden Tag von neuem. Wenn ich an sie dachte, krallte mein Verlangen, sie zu berühren, zu küssen, nur einen Moment den Zimtduft ihres schwarzen Haars einzuatmen, sich mit Klauen in mein Herz und riss mir die Luft aus der Lunge. Über meinem Kopf begannen sich Wolkenberge zu türmen, schwer und dunkel vom Monsunregen. In jenen Wochen erschien mir der verhangene Himmel wie ein Abbild meiner dräuenden Liebe. In den schwankenden Ästen der Mangroven fand ich mein zitterndes Verlangen. Und nachts, in zu vielen Nächten, ließ mein ruheloser Schlaf in begehrlichen Träumen die wilden Wellen der See aufbranden, bis jeden Morgen die Sonne aufging und meine Liebe aufs Neue erstrahlte.
    Doch sie liebte mich nicht, das hatte sie selbst gesagt, und sie wollte auch nicht, dass ich sie liebte. Vielleicht, weil er mich warnen wollte, vielleicht, weil er mir helfen wollte, womöglich sogar, weil er mich retten wollte, hatte Didier einmal zu mir gesagt, dass nichts trauriger und elender sei, als der eine Teil einer großen, unerfüllbaren Liebe zu sein. Und in gewisser Weise hatte er natürlich recht. Doch ich konnte von der Hoffnung, Karla lieben zu dürfen, nicht lassen, und ich konnte den Instinkt nicht ignorieren, der mir gebot, zu warten. Und zu warten.
    Und dann gab es da noch diese andere Liebe, die Liebe des Sohnes für einen Vater, die ich für Khaderbhai verspürte. Lord Abdel Khader Khan. Sein Freund Abdul Ghani hatte ihn mit einem sicheren Hafen verglichen, weil Tausende Menschen aus dem Slum Schutz bei ihm gesucht hatten und ihr Leben an seines gebunden hatten. Auch mein Leben schien eines dieser vielen zu sein. Noch konnte ich nicht klar erkennen, auf welche Weise mich das Schicksal mit ihm verbunden hatte. Doch ich konnte mich auch nicht von ihm lösen. Als Abdul von seiner Suche nach Weisheit und einer Antwort auf die drei großen Fragen gesprochen hatte, hatte er unwissentlich meine eigene Suche beschrieben, nach einer Person oder einer Sache, an die ich glauben konnte. Ich hatte die gleiche staubige holprige Straße beschritten, von der er berichtete, in der Hoffnung, einen Glauben zu finden. Doch immer, wenn ich von einer neuen Glaubensrichtung gehört hatte, wenn ich einen neuen Guru erlebt hatte, geschah das Gleiche: In irgendeinem Punkt überzeugten mich seine Worte nicht, und ich spürte, dass der Schein trog. Jeder Glaube, den ich unter die Lupe nahm, hätte mich zu Kompromissen gezwungen, und bei jedem Lehrer musste ich die Augen vor irgendeinem Mangel verschließen. Und dann war da Abdel Khader Khan, der mit seinen honigfarbenen Augen über mein Misstrauen lächelte. Ist er die Lösung, begann ich mich unwillkürlich zu fragen. Ist er der Mann, den ich suche?
    »Wunderschön, nicht wahr?« Johnny Cigar setzte sich neben mich und blickte auf die ruhelosen dunklen Wellen hinaus.
    »Mhm.« Ich reichte ihm eine Zigarette.
    »Unser Leben, das hat wahrscheinlich im Meer angefangen«, sagte Johnny leise. »Vor ungefähr vier Milliarden Jahren. Wahrscheinlich in der Nähe von heißen Stellen, wie Vulkanen unter dem Meer.«
    Ich sah ihn an.
    »Und während dieser langen Zeit waren alle Lebewesen Wasserwesen und haben im Meer gelebt. Und dann, vor ein paar Hundertmillionen Jahren – was in der Geschichte der Erde wirklich nur ein kleines Weilchen ist –, haben die Lebewesen angefangen, auch auf dem Land zu leben.«
    Ich war überrascht und verwirrt. Da ich befürchtete, dass ihn das kleinste Geräusch aus seinen Überlegungen reißen könnte, blieb ich mucksmäuschenstill.
    »Aber in gewisser Weise kann man sagen, dass wir nach unserer Zeit im Meer, nach all den Millionen Jahren, die wir im Wasser gelebt haben, das Meer mitgenommen haben. Denn wenn eine Frau ein Baby kriegt, gibt sie ihm in ihrem Bauch Wasser, in dem es wachsen kann. Das Wasser im Körper ist nämlich genau wie das Meerwasser. Es hat genauso viel Salz. Sie gibt ihm also einen kleinen Ozean in ihrem Körper. Aber das ist nicht alles. Unser Blut und unser Schweiß, die sind beide salzig, fast so wie das Wasser vom Meer. Wir haben das Meer in uns, in unserem Blut und unserem Schweiß. Und wir weinen das Meer mit unseren Tränen.«
    Er verstummte, und ich hatte endlich Gelegenheit, meinem Erstaunen Ausdruck zu verleihen.
    »Woher in aller Welt weißt du das alles?«, fragte ich, etwas harsch vielleicht.
    »Ich habe es in einem Buch

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