Shantaram
klang.
»Warum gehst du eigentlich ins Leopold’s?«
»Wie meinst du das?«, fragte sie schläfrig.
»Ich weiß nicht. War nur so ein Gedanke.«
Sie lachte mit geschlossenem Mund, atmete durch die Nase. Ihre Hand lag auf meinem Arm. Im Dunkeln sah ich nur die weichen Konturen ihres Gesichts, und ihre Augen glitzerten wie schwarze Perlen.
»Ich finde, Didier, Modena und Ulla, sogar Vikram und Lettie passen dorthin. Aber du nicht«, fügte ich hinzu.
»Ich glaube … irgendwie passen die alle zu mir, auch wenn ich nicht zu ihnen passe«, erwiderte sie seufzend.
»Erzähl mir von Ahmed«, bat ich. »Von Ahmed und Christina.«
Auf diese Bitte hin schwieg sie so lange, dass ich dachte, sie sei eingeschlafen. Doch dann antwortete sie, in leisem, festem, gleichmäßigem Ton, wie bei einer Zeugenaussage vor Gericht.
»Ahmed war ein Freund von mir. Eine Zeitlang war er sogar mein bester Freund, so etwas wie der Bruder, den ich nie hatte. Er kam aus Afghanistan. Dort war er auch im Krieg verwundet worden. In Bombay wollte er wieder auf die Beine kommen – in gewisser Weise haben wir das gemeinsam. Er war so schwer verwundet worden, dass er sich nie mehr ganz erholt hat. Na ja, wir haben uns gegenseitig gepflegt und sind dabei sehr enge Freunde geworden. Er hatte einen naturwissenschaftlichen Abschluss an der Universität in Kabul gemacht und sprach hervorragend Englisch. Wir haben uns immer über Bücher und Philosophie, über Musik, Kunst und Essen unterhalten. Er war ein wunderbarer, sanftmütiger Mensch.«
»Und dann ist etwas passiert«, half ich nach.
»Ja«, antwortete sie und lachte kurz. »Er hat Christina kennen gelernt. Das ist passiert. Sie arbeitete für Madame Zhou. Eine Italienerin – eine dunkle Schönheit. Ich habe ihr Ahmed sogar selbst vorgestellt, als sie eines Abends mal mit Ulla ins Leopold’s kam. Sie haben damals beide im Palace gearbeitet.«
»Ulla hat im Palace gearbeitet?«
»Ulla war eines der beliebtesten Mädchen, das Madame Zhou je hatte. Und dann hat sie im Palace aufgehört. Maurizio hatte einen Verbindungsmann in der deutschen Botschaft, mit dem er irgendeinen Deal laufen hatte. Er wollte ein bisschen nachhelfen und hat dabei herausgefunden, dass der Deutsche ganz verrückt nach Ulla war. Es hat ihn seine gesamten Ersparnisse gekostet und den Deutschen massive Überzeugungsarbeit – aber schließlich ist es Maurizio tatsächlich gelungen, Ulla freizukaufen. Dann hat er Ulla dazu gebracht, den Typen von der Botschaft so um den Finger zu wickeln, dass der ihr aus der Hand fraß und alles gemacht hat, was sie oder vielmehr was Maurizio wollte. Keine Ahnung, was das genau war. Danach hat Maurizio ihn fallenlassen. Der Typ ist komplett durchgedreht, hab ich gehört. Hat sich eine Kugel in den Kopf gejagt. Na ja, und zwischenzeitlich hatte Maurizio Ulla auf den Strich geschickt, damit sie ihm ihre Schulden zurückzahlen konnte.«
»Offen gestanden, entwickle ich allmählich eine gesunde Abneigung gegen Maurizio.«
»Es war ein mieser Deal, stimmt schon. Aber immerhin hat er Ulla von Madame Zhou und dem Palace losgeeist. Das muss ich Maurizio lassen – er hat bewiesen, dass es überhaupt möglich ist. Bis dahin war nämlich keins der Mädchen je wieder rausgekommen – jedenfalls nicht ohne dass ihr einer Säure ins Gesicht gekippt hätte. Als Ulla Madame Zhou losgeworden war, wollte Christina auch weg. Aber Zhou dachte natürlich nicht im Traum daran, Christina einfach gehen zu lassen, noch dazu ohne Druck. Ahmed war hoffnungslos in Christina verliebt, und eines späten Abends ist er zum Palace gegangen, um offen mit Madame Zhou zu sprechen. Ich sollte ihn eigentlich begleiten. Ich hatte beruflich mit Madame Zhou zu tun – ich habe für meinen Chef Geschäftsleute zu ihr gebracht, und die haben immer einen Haufen Geld dort gelassen – das weißt du ja alles. Ich dachte, sie würde auf mich hören. Aber dann wurde ich weggerufen. Es sei … etwas Geschäftliches, sagte man mir … ein … ein wichtiger Verbindungsmann … Ich konnte nicht nein sagen. Also ging Ahmed allein zum Palace. Und am nächsten Tag hat man seine und Christinas Leiche in einem Auto gefunden, nur ein paar Straßen vom Palace entfernt. Die Bullen haben gesagt … die meinten, sie hätten beide Gift genommen, wie Romeo und Julia.«
»Aber du glaubst, dass es Madame Zhou war, und machst dir Vorwürfe?«
»So ungefähr.«
»Habt ihr neulich, als wir Lisa Carter rausgeholt haben, darüber geredet? Durch
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