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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Das war nicht viel, aber ich beschloss, dass es genug war für diesen Tag. Den ganzen Vormittag über hatte es heftig geregnet, und gegen Mittag schien sich dann jenes schläfrig-schwüle Nieselwetter durchzusetzen, das manchmal tagelang anhielt. Ich saß auf einem Barhocker unter der gestreiften Markise eines Saftstands in der Nähe des President Hotel, nicht weit vom Slum entfernt, und trank einen frischgepressten Zuckerrohrsaft, als Vikram aus dem Regen herbeigelaufen kam.
    »Hey, Lin! Wie geht’s, Mann? Dieser verdammte Regen ist doch echt zum Kotzen, yaar.«
    Wir begrüßten uns mit Handschlag, und ich bestellte ihm auch einen Zuckerrohrsaft. Er schob seinen Flamencohut auf den Rücken, sodass er an der Schnur um seinen Hals hing. Die Knopfleiste seines schwarzen Hemds war mit kleinen weißen Figuren bestickt, die Lassos über dem Kopf schwenkten. Sein Gürtel bestand aus amerikanischen Silberdollars und einem Concho als Gürtelschnalle. Die schwarze Flamencohose war an der Außenseite mit feinen weißen Schnörkeln bestickt, die in einer Dreierreihe kleiner Silberknöpfe endete. Er trug Stiefel mit Blockabsatz und Zierlederbändern, die auf beiden Seiten mit Schnallen befestigt waren.
    »Kein gutes Wetter zum Reiten, na ?«
    »Oh verdammt«, stieß er hervor. »Du hast also die Geschichte von Lettie und dem Pferd gehört? Jesus und Maria! Aber das ist schon scheißlang her, Mann. Wir haben uns echt verdammt lang nicht gesehen!«
    »Wie läuft es denn mit Lettie?«
    »Nicht so toll.« Er seufzte, doch sein Lächeln war fröhlich. »Aber ich glaube, sie ist kurz davor, ihre Meinung zu ändern, yaar. Sie ist einfach was Besonderes. Ich glaube, dass sie sich erst mal so richtig aushassen muss, sozusagen. Und dann kann sie in aller Ruhe mit dem Lieben anfangen. Aber ich krieg sie schon noch, auch wenn alle meinen, dass ich spinne.«
    »Ich finde nicht, dass du spinnst.«
    »Echt nicht?«
    »Nein. Sie ist ein hübsches Mädchen. Ein tolles Mädchen. Und du bist ein netter Kerl. Ihr beiden seid euch ähnlicher, als man es auf den ersten Blick denken könnte. Ihr habt beide Humor, und ihr lacht gern. Sie kann Heuchler nicht ausstehen und du auch nicht. Und ihr interessiert euch, glaube ich, auch auf ganz ähnliche Weise für das Leben. Ich finde, ihr seid ein prima Paar, oder ihr könnt es zumindest mal werden. Ich bin mir sicher, dass du sie irgendwann rumkriegst, Vikram. Ich hab doch gesehen, wie sie dich anschaut, selbst dann, wenn sie dir so richtig eine vor den Bug knallt. Weißt du was? Ich glaube, sie liebt dich so sehr, dass sie dich einfach runtermachen muss. So ist sie eben. Bleib dran, irgendwann wirst du sie schon kriegen.«
    »Lin … Mann! Genauso ist es! Verdammt nochmal! Ich mag dich. Echt, ich meine, das ist total cool, was du da gerade gesagt hast. Von jetzt an bin ich dein Freund, yaar. Dein verdammter Blutsbruder, Mann. Wenn du irgendwann mal was brauchst, kommst du zu mir. Alles klar?«
    »Alles klar«, sagte ich lächelnd. »Abgemacht.«
    Er verstummte und starrte in den Regen hinaus. Sein lockiges schwarzes Haar reichte hinten bis über den Kragen, war aber vorne und an den Seiten kurz geschnitten. Der bleistiftdünne Schnurrbart war akkurat gestutzt. Vikram hatte ein eindrucksvolles Profil: Die hohe Stirn ging in eine Hakennase über, und das markante Kinn unter dem festen, ernsthaften Mund ließ auf Selbstvertrauen schließen. Doch als er mich ansah, bestimmten die Augen den Eindruck von seinem Gesicht, und diese Augen waren jung und neugierig und funkelten vergnügt.
    »Weißt du, Lin, es ist wirklich so«, sagte er leise. Sein Blick wanderte zum Gehweg hinab, dann schaute er rasch wieder auf. »Ich liebe dieses englische Mädchen.«
    »Und weißt du was, Vikram?«, erwiderte ich ebenso ernsthaft. »Ich liebe dieses Cowboyhemd.«
    »Was, dieses alte Ding?«, rief er lachend. »Verdammt, Mann, das kannst du gerne haben!«
    Er sprang von seinem Barhocker auf und begann das Hemd aufzuknöpfen.
    »Nein! Nein! Das war nur ein Witz!«
    »Wie? Soll das heißen, dir gefällt mein Hemd nicht?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Jetzt sag schon, was passt dir nicht an meinem Scheißhemd?«
    »Hey, mir gefällt alles an deinem Hemd, ja? Ich will es bloß nicht haben.«
    »Zu spät, Mann!«, brüllte er, zog sich das Hemd über den Kopf und warf es mir zu. »Zu spät!«
    Er stand jetzt im schwarzen Unterhemd da, den schwarzen Hut noch am Rücken. Aus dem Ghettoblaster an unserem Saftstand tönte der

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