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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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einer Kordel um den Hals auf dem Rücken hing, die schwarze Weste, das schwarze Hemd und die mit Schnörkeln verzierte schwarze Flamencohose erschienen mir ungeheuer exotisch, doch zugleich war es die vertrauteste, beruhigendste Kleidung, die ich mir nur vorstellen konnte. Die kunstvoll gestickten Schnörkel und Spiralen auf seiner Weste verschwammen vor meinen Augen, und ich lenkte meinen Blick wieder auf sein Gesicht. Dieses Gesicht zuckte und verzog sich in Sorgenfalten, während er mich betrachtete. Ich hatte vier Monate lang in keinen Spiegel mehr geschaut. Vikrams Grimasse vermittelte mir eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie nahe er mich dem Tode wähnte. Er hielt mir das schwarze Hemd mit den lassoschwingenden Figuren hin, das er vier Monate zuvor im Regen ausgezogen hatte, um es mir zu schenken.
    »Ich hab … Ich hab dir dein Hemd mitgebracht«, sagte er stockend.
    »Was … Was machst du denn hier?«
    »Ein Freund hat mich geschickt«, erwiderte er. »Ein sehr guter Freund von dir. Oh verdammt, Lin. Du siehst aus, als wärst du von Hunden angefressen worden. Ich will dich nicht erschrecken, Mann, aber du siehst echt aus, als hätten sie dich krepieren lassen, dich in eine Grube geschmissen und dann wieder ausgebuddelt. Aber keine Panik, Mann. Jetzt bin ich ja da. Ich hol dich aus diesem beschissenen Loch hier raus.«
    Diese Bemerkung nahm der Gefängnisbeamte zum Anlass, zu husten und dem Zivilpolizisten ein Zeichen zu geben. Dieser überließ ihm die Initiative, worauf sich der Gefängnisbeamte mit einem falschen Lächeln, das die weiche Haut um seine Augen in kleine Fältchen legte, an Vikram wandte.
    »Zehntausend«, sagte er. »Natürlich in amerikanischen Dollars.«
    »Zehn tausend ?«, explodierte Vikram. »Sind Sie wahnsinnig? Verdammt, mit zehntausend Dollar kann ich doch fünfzig Männer aus diesem Gefängnis freikaufen. Das können Sie vergessen, Mann.«
    »Zehntausend«, wiederholte der Beamte mit der Ruhe und Autorität eines Mannes, der weiß, dass er in einem Messerkampf als Einziger eine Schusswaffe bei sich hat. Er legte die Hände flach auf den Metalltisch, und seine Finger vollführten eine kleine La-Ola-Welle.
    »Kommt nicht infrage, Mann. Arrey, schauen Sie sich diesen Kerl doch mal an. Da müsste ich eher was von Ihnen verlangen, yaar. Den haben sie fertiggemacht, Mann, der kann nicht mehr. Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass er so, wie er jetzt dasteht, zehntausend Dollar wert ist?«
    Der Bulle zog einen Hefter aus einer schmalen kunstledernen Aktentasche und schob ihn Vikram über den Schreibtisch zu. Der Hefter enthielt ein einziges Blatt. Während Vikram es überflog, schürzte er die Lippen, und seine Augen weiteten sich beeindruckt.
    »Bist du das?«, fragte er. »Bist du in Australien aus dem Gefängnis ausgebrochen?«
    Ich starrte ihn aus fiebrigen Augen an, ohne zu antworten.
    »Wie viele Leute wissen davon?«, fragte er den Zivilpolizisten.
    »Nicht allzu viele«, erwiderte dieser auf Englisch. »Aber doch wieder so viele, dass zehntausend nötig sind, um diese Information unter Verschluss zu halten.«
    »Oh Scheiße«, seufzte Vikram. »Beschissene Verhandlungsposition. Aber was soll’s. Scheiß drauf. In einer halben Stunde bin ich mit dem Geld da. Waschen Sie ihn inzwischen und machen Sie ihn startklar.«
    »Da wäre noch was«, meldete ich mich, und alle blickten zu mir. »Es gibt da zwei Männer. In meinem Schlafsaal. Die haben versucht, mir zu helfen, und die Wärter haben ihnen nochmal sechs Monate aufgebrummt. Aber die haben sie jetzt abgesessen. Ich will, dass sie mit mir zusammen rauskommen.«
    Der Bulle sah den Gefängnisbeamten fragend an. Der reagierte mit einer abschätzigen Geste und wiegte zustimmend den Kopf. Diese Bitte war eine Lappalie. Die Männer würden freigelassen werden.
    »Und dann ist da noch ein anderer Mann«, fuhr ich mit ausdrucksloser Stimme fort. »Er heißt Mahesh Malhotra. Er kann seine Kaution nicht bezahlen. Es ist nicht viel, nur ein paar tausend Rupien. Ich will, dass Vikram seine Kaution bezahlen darf. Ich will, dass er mit mir hier rauskommt.«
    Die beiden Beamten hoben die Hände und sahen sich mit dem gleichen verständnislosen Gesichtsausdruck an. Das Schicksal einer solch armen und unbedeutenden Gestalt war für sie weder wirtschaftlich noch emotional von Bedeutung. Sie wandten sich Vikram zu, und der Gefängnisbeamte schob sein Kinn vor, als wollte er sagen: Der spinnt, aber wenn er das so haben will …
    Vikram stand

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