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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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bisschen was auf die Rippen. Du brauchst schnell Kohle. Und du brauchst einen Freund wie ihn, yaar. Diese ganze Geschichte mit Australien – das ist echt Wahnsinn, Mann. Ich meine, immer auf der Flucht zu sein und so, das ist verdammt heldenhaft, ehrlich. Wenn du Khader auf deiner Seite hast, passiert dir hier nichts mehr. Wenn er hinter dir steht, wird dir hier kein Mensch mehr so eine Scheiße antun. Du hast einen mächtigen Freund, Lin. Mit Khader Khan legt sich in Bombay keiner an.«
    »Warum arbeitest du dann nicht für ihn?«, fragte ich, und mir war bewusst, dass meine Frage schroff klang – schroffer als beabsichtigt –, doch damals, als die Erinnerung an die Prügel und die stechenden, juckenden Läuse auf meiner Haut noch frisch war, hörte sich alles so an, was ich sagte.
    »Er hat es mir nie angeboten«, antwortete Vikram gelassen. »Aber selbst wenn er es mir anbieten würde, yaar, ich glaube, ich würde das nicht machen.«
    »Warum nicht?«
    »Ich brauche ihn nicht so dringend wie du, Lin. Die ganzen Mafia-Typen, die brauchen einander, verstehst du? Sie brauchen Khaderbhai genauso sehr, wie er sie braucht. Aber bei mir ist das nicht so. Bei dir dagegen schon.«
    »Du scheinst dir deiner Sache ja sehr sicher zu sein.« Ich drehte mich zu ihm um, und unsere Blicke trafen sich.
    »Bin ich auch, Mann. Khaderbhai hat mir gesagt, dass er herausgefunden hat, warum du im Gefängnis gelandet bist. Er meinte, jemand mit viel Macht und Einfluss hätte dich einsperren lassen.«
    »Wer?«
    »Das hat er nicht gesagt. Er hat behauptet, dass er es nicht wüsste, aber vielleicht wollte er es einfach nur mir nicht sagen. Wie dem auch sei, Lin, mein Bruder, du steckst ganz schön in der Scheiße. Die Gangster hier in Bombay machen keine halben Sachen, das weißt du inzwischen – wenn du hier einen Feind hast, dann brauchst du allen Schutz, den du nur kriegen kannst. Du hast die Wahl: Entweder du verschwindest schleunigst aus der Stadt, oder du sorgst dafür, dass du unter dem Schutz von irgendjemand stehst, so wie die Jungs im OK Corral, verstehst du?«
    »Was würdest du denn machen?«
    Er lachte, doch meine Miene veränderte sich nicht, und so hörte er schnell wieder auf damit. Er zündete zwei Zigaretten an und reichte mir eine.
    »Ich? Ich wäre stinkwütend, yaar. Ich trage diese Cowboyklamotten nicht, weil ich Kühe mag – ich trage sie, weil es mir gefällt, wie diese Cowboytypen damals mit solchen Situationen umgegangen sind. Ich würde rauskriegen wollen, wer versucht hat, mich fertigzumachen, und mich rächen. Ich würde Khaderbhais Angebot annehmen, sobald ich bereit wäre, für ihn zu arbeiten, und mich irgendwann rächen. Aber hey – das wäre meine Reaktion, und ich bin ein indischer madachudh, yaar. Ein indischer madachudh würde genau das tun.«
    Ich sah noch einmal in den Spiegel. Die neuen Kleider fühlten sich wie Salz an auf meinen offenen Wunden, doch sie bedeckten das Schlimmste, und ich sah nicht mehr ganz so erschreckend und abstoßend aus. Ich lächelte mein Spiegelbild an. Ich übte, versuchte mich zu erinnern, wie es sich anfühlte, ich zu sein. Es gelang mir beinahe. Und dann wehte ein neuer Ausdruck in meine grauen Augen, der noch nicht ganz zu mir gehörte. Nie wieder. Nie wieder würde ich diese Schmerzen erleiden. Nie wieder würde mich solcher Hunger bedrohen. Nie wieder würde solche Angst mein vogelfreies Herz peinigen. Was ich auch dafür tun muss, sagten mir meine Augen. Was ich von jetzt an dafür tun muss.
    »Ich bin bereit, ihn zu treffen«, sagte ich. »Jetzt sofort.«

Z WEIUNDZWANZIGSTES K APITEL
     

    A ls ich in die Dienste Abdel Khader Khans trat, begab ich mich wissentlich und willentlich in die Gefilde der organisierten Kriminalität – bis dahin war ich nur ein Verzweifelter gewesen, der dumme, feige Dinge getan hatte, um eine dumme, feige Heroinsucht zu befriedigen, und dann ein Verzweifelter im Exil, der sich mit sporadischen Deals kleine Provisionen verdiente. Natürlich hatte ich kriminell gehandelt, zum Teil sogar in größerem Ausmaß, aber zum Kriminellen wurde ich erst, als ich Khaderbhais Angebot annahm. Bis dahin war ich ein Mann gewesen, der kleine Verbrechen begangen hatte, aber kein Verbrecher – das ist ein großer Unterschied. Er liegt, wie bei so vielem im Leben, im Motiv und in den Mitteln. Die Folter im Arthur-Road-Gefängnis hatte mir das Motiv dafür geliefert, diese Grenze zu überschreiten. Ein anderer, ein klügerer Mann wäre vielleicht

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