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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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umbrandeten.
    Als das Licht dieser langen Nacht in die Morgendämmerung überging und die Fähre in Panjim, der Hauptstadt Goas, anlegte, war ich der Erste, der den Bus nach Mapusa bestieg. Die fünfzehn Kilometer von Panjim nach Mapusa – das Mappsa ausgesprochen wird – führten durch üppig grüne Haine und an Herrenhäusern vorbei, die an vierhundert Jahre portugiesische Kolonialherrschaft erinnerten. Mapusa war Verkehrsknotenpunkt und Kommunikationszentrum des nördlichen Goa. Ich traf an einem Freitag dort ein, dem Markttag, und das frühmorgendliche Feilschen und Handeln war bereits in vollem Gange. Ich bahnte mir einen Weg zum Taxi- und Motorradstand. Nach hartem, heftigem Verhandeln, das mit der Anrufung einer erlauchten Schar von Gottheiten aus mindestens drei Religionen sowie temperamentvoll-deftigen Anspielungen auf die Schwestern unserer jeweiligen Freunde und Bekannten einherging, erklärte sich einer der Händler bereit, mir zu einem akzeptablen Preis eine Enfield Bullet zu vermieten. Ich hinterlegte eine Kaution und bezahlte eine Woche im Voraus, dann ließ ich die Maschine mit dem Kickstarter an und schlängelte mich durch das Marktgewühl in Richtung Strand.
    Die 350er Enfield of India Bullet war ein Viertakt-Einzylinder, der nach den Bauplänen des 1950er Originalmodells von British Royal Enfield gebaut wurde.
    Die Bullet, bekannt sowohl für ihr eigenwilliges Handling als auch für ihre Zuverlässigkeit und Unverwüstlichkeit, ist ein Motorrad, zu dem man eine Beziehung haben muss. Als Fahrer muss man Toleranz, Geduld und Verständnis mitbringen. Im Gegenzug beschert einem die Bullet dieses schwebende, himmlische, windgetragene Glück, das Vögel im Flug empfinden müssen – gestört nur gelegentlich von lebensgefährlichen Situationen.
    Ich verbrachte den Tag damit, die Strände abzufahren, von Calangute bis Chapora. Ich fragte in jedem Hotel und in jeder Pension nach Karla und versuchte es mit kleinen, aber verlockenden Bestechungsgeldern. An jedem Strand traf ich auf Geldwechsler, Drogenhändler, Fremdenführer, Diebe und Gigolos. Die meisten von ihnen hatten Ausländerinnen gesehen, die meiner Beschreibung entsprachen, aber keiner war sich sicher, dass er wirklich Karla gesehen hatte. Ich trank in den größeren Restaurants am Strand Tee oder Saft oder aß eine Kleinigkeit und befragte Kellner und Geschäftsführer. Da ich Marathi oder Hindi mit ihnen sprach, waren sie alle hilfsbereit. Doch keiner von ihnen hatte Karla gesehen, und als sich die wenigen Hinweise, die ich bekommen hatte, allesamt als falsche Fährten erwiesen hatten, endete der erste Tag meiner Suche in großer Enttäuschung.
    Der Besitzer des Seashore Restaurant in Anjuna, ein untersetzter junger Marathe namens Dashrant, war der letzte Einheimische, den ich bei Sonnenuntergang befragte. Er bereitete eine herzhafte Mahlzeit aus Kohlblättern mit Kartoffelfüllung, grünen Bohnen mit Ingwer, Auberginen mit saurem grünem Chutney und knusprig frittierten Okra zu. Als alles fertig war, kam er mit seinem Teller an meinen Tisch und aß mit mir zusammen. Er bestand darauf, dass wir die Mahlzeit mit einem großen Glas Kokos-Feni, dem traditionellen örtlichen Kokosschnaps, beschlossen, dem ein ebenso großes Glas Chashew-Feni folgte. Nachdem er sich geweigert hatte, von einem Gora, der seine Muttersprache Marathi sprach, Geld anzunehmen, schloss Dashrant sein Restaurant ab und fuhr auf meinem Motorrad mit, um mir den Weg zu zeigen; er fand meine Suche nach Karla sehr romantisch – sehr indisch, sagte er –, und lud mich ein, als sein Gast in der Nähe des Restaurants zu übernachten.
    »Es gibt ein paar hübsche ausländische Mädchen hier in der Gegend«, sagte er. »Eine davon könnte deine verlorene Liebe sein, so der Bhagwan es will. Ich würde vorschlagen, dass du dich erst mal ausschläfst und dann morgen weitersuchst, mit klarem Kopf, meinst du nicht?«
    Wir knatterten einen weichen sandigen Weg hinauf, der zwischen hohen Palmen zu einem kleinen Häuschen führte. Mit ausgestreckten Beinen schoben wir das Motorrad zusätzlich an. Das quaderförmige Gebäude, das in Sichtweite des Restaurants stand und einen weiten Blick auf das dunkle Meer bot, bestand aus Bambus, Kokosholzstangen und Palmwedeln. Das Innere war ein einziger großer Raum, den Dashrant mit Kerzen und Lampen beleuchtete. Der Boden bestand aus Sand. Es gab einen Tisch und zwei Stühle, ein Bett mit einer nicht bezogenen Latexmatratze und einen metallenen

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