Shantaram
zu bringen.
Und das bewerkstelligten wir mithilfe des Abklatschens. Wenn Iraner oder Afghanen in Bombay versuchten, einen Flug in eines der besagten Asylländer zu buchen, mussten sie ein gültiges Visum vorweisen, das sie auf legalem Wege jedoch nicht bekamen. Und auch gefälschte Visa waren nutzlos, weil jedes Visum automatisch mit den Listen der Botschaften abgeglichen wurde. Also musste ich mit einem gefälschten Visum ein Flugticket nach Kanada oder Schweden buchen. Als Gora, sprich als gut gekleideter, europäisch aussehender Ausländer, wurde ich niemals mehr als nur flüchtig kontrolliert. Kein Beamter machte sich je die Mühe, zu überprüfen, ob mein Visum tatsächlich echt war. Der Flüchtling, für den ich tätig wurde, kaufte ein Flugticket für die Inlandsstrecke desselben Transferflugs, zum Beispiel von Bombay nach Delhi. Beim Einchecken erhielten wir Bordkarten – ich die grüne internationale, er die rote für den Inlandsflug. Im Flugzeug tauschten wir dann einfach Bordkarten aus, und alles lief nach Plan: In Delhi durften nämlich nur Passagiere mit grünen Karten an Bord bleiben. Ich stieg in Delhi aus, die rote Bordkarte in der Hand, und ließ den Flüchtling nach Kanada, Schweden oder wohin auch immer weiterfliegen. Sobald er dort angelangt war, würde er Asyl beantragen, womit das Anerkennungsverfahren in die Wege geleitet wurde. Ich für mein Teil verbrachte die Nacht in Delhi in einem Fünf-Sterne-Hotel und kaufte mir am nächsten Tag wieder ein Flugticket, um den Vorgang mit einem anderen Flüchtling auf der Strecke von Delhi nach Bombay zu wiederholen.
Und diese Methode war äußerst erfolgreich. In jenen Jahren schmuggelten wir Hunderte iranischer und afghanischer Ärzte, Ingenieure, Architekten, Akademiker und Dichter in das Land ihrer Wahl.
Ich erhielt dreitausend Dollar pro Abklatsch, und eine Zeitlang machte ich zwei pro Monat. Nachdem ich drei Monate lang zwischen Bombay und Delhi, Kalkutta und Madras unterwegs gewesen war, schickte mich Abdul Ghani auf meine erste internationale Mission. Ich sollte zehn Pässe nach Zaire bringen. Unter Verwendung von eigens aus der Hauptstadt Kinshasa geschickten Fotos der künftigen Passinhaber hatten Krishna und Villu perfekte Pässe hergestellt. Die fertigen Bücher packte ich sorgfältig in Plastikfolie ein und befestigte das Päckchen mit Klebeband unter drei Lagen Kleidung direkt auf meinem Körper. Und so landete ich in dem dampfenden, waffenstrotzenden Hexenkessel des internationalen Flughafens von Kinshasa.
Es war eine gefährliche Mission. Zaire war damals neutrales Niemandsland, während ringsum in Angola, Mosambik, Namibia, Sudan, Uganda und der Republik Kongo blutige Stellvertreterkriege tobten. Das Land war die Spielwiese des ganz offenkundig wahnsinnigen Diktators Mobutu. Der sorgte unter anderem dafür, dass durch Straftaten erwirtschaftete Gewinne zu einem guten Teil in seine eigene Tasche flossen. Mobutu war der Liebling der westlichen Mächte, denn er erstand jede Waffe, die sie ihm zum Kauf anboten, so teuer sie auch war. Falls die Verkäufernationen sich daran störten, dass er seine Neuerwerbungen gegen Gewerkschafter und andere Sozialreformer in seinem eigenen Land richtete, so äußerten sie ihre Bedenken jedenfalls nie öffentlich. Stattdessen luden die einschlägigen westlichen Staaten den Diktator zu prächtigen Empfängen auf höchster Ebene ein, während in seinen Gefängnissen Hunderte von Männern und Frauen zu Tode gefoltert wurden. Dieselben Staaten machten über die internationale Polizeibehörde Interpol Jagd auf mich, und ich hatte keinen Zweifel daran, dass ihr Verbündeter mich mit dem größten Vergnügen – als kleine Gefälligkeit, sozusagen – für sie aus dem Weg geräumt hätte, wenn die Passaktion schiefgelaufen und ich in seiner Hauptstadt im Gefängnis gelandet wäre.
Dennoch faszinierte mich die Anarchie von Kinshasa. Die Stadt war ein florierender Handelsplatz für jegliche Art von Schmuggelware – von Gold über Drogen bis zu Raketenwerfern. Kinshasa beherbergte Massen von Söldnern, Flüchtlingen, Kriminellen, Schwarzmarkt-Gewinnlern und hitzigen, gewaltbereiten Glücksrittern aus ganz Afrika. Ich fühlte mich wohl in dieser Stadt und wäre gern länger geblieben, doch nach knapp zweiundsiebzig Stunden hatte ich alle Pässe abgeliefert und hundertzwanzigtausend Dollar eingenommen. Es war Khaderbhais Geld, und ich wollte es ihm so schnell wie möglich überreichen, weshalb ich mit der
Weitere Kostenlose Bücher