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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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zehntausend Mann von Kabul auf Kandahar, um die Belagerung zu beenden. Zwei Drittel seiner Männer waren Inder – und sie waren sehr gute Soldaten, diese Sepoys. Roberts legte diese Strecke von dreihundert Meilen in zweiundzwanzig Tagen zurück. Das ist eine viel größere Strecke, als wir sie von Chaman aus hinter uns gebracht haben – und du weißt, dass wir mit guten Pferden und Unterstützung aus den Dörfern einen Monat dafür gebraucht haben. Und das Heer damals marschierte über eisige Berge und durch glühende Wüsten, und dann, nach zwanzig Tagen dieses höllischen Marschs, kämpften sie gegen das Heer von Prinz Ayub Khan und siegten. Roberts rettete die Briten in der Stadt, und von diesem Tag an, auch nachdem er zum Feldmarschall aller Soldaten des British Empire ernannt wurde, kannte ihn jeder nur als Roberts von Kandahar.«
    »Wurde Prinz Ayub getötet?«
    »Nein. Er konnte entkommen. Dann ernannten die Briten seinen engen Verwandten Abdul Rahman Khan zum Herrscher von Afghanistan. Abdul Rahman Khan, auch einer meiner Vorfahren, regierte das Land mit solcher Weisheit, dass die Briten keine wirkliche Macht bekamen in Afghanistan. Die Lage war genau wie zuvor – bevor der große Soldat und Mörder, Bobs your uncle, sich den Weg über den Khyber-Pass freikämpfte, um einen Krieg zu beginnen. Doch die Pointe dieser Geschichte, da wir nun hier sitzen und auf meine brennende Stadt blicken, ist, dass Kandahar der Schlüssel zu Afghanistan ist. Kabul ist das Herz, aber Kandahar ist die Seele dieser Nation, und wer in Kandahar herrscht, herrscht über Afghanistan. Wenn die Russen gezwungen sind, meine Stadt zu verlassen, werden sie diesen Krieg verlieren. Erst dann.«
    »Ich finde das alles schlimm«, sagte ich seufzend. Ich glaubte nicht daran, dass dieser neue Krieg etwas verändern würde; ich glaubte nicht, dass Kriege allgemein etwas verändern können. Der Frieden hinterlässt die tiefsten Einschnitte, dachte ich. Und ich erinnere mich noch daran, wie ich diesen Satz dachte, den ich für klug hielt, und dass ich hoffte, ihn in unserem Gespräch unterbringen zu können. Ich erinnere mich an jedes Detail dieses Tages. An all die dummen, eitlen, arglosen Gedanken, die mir später vorkamen wie ein Schlag des Schicksals ins Gesicht. »Ich finde das alles schlimm, und ich bin froh, dass wir uns heute auf den Rückweg machen.«
    »Wer sind deine Freunde hier?«, fragte Khader. Die Frage überraschte mich, und ich verstand nicht, warum er sie mir stellte. Amüsiert ob meines verblüfften Gesichtsausdrucks, fragte er noch einmal: »Von den Männern, die du hier in den Bergen besser kennen gelernt hast – wer sind da deine Freunde?«
    »Nun, Khaled natürlich und Nasir –«
    »Nasir ist jetzt also ein Freund von dir?«
    »Ja«, sagte ich und lachte. »Ist er. Und Ahmed Zadeh mag ich auch gerne. Und Mahmud Melbaaf, den Iraner. Suleiman ist auch in Ordnung und Jalalaad – ein wilder Kerl – und Zaher Rasul, der Bauer.«
    Khader nickte, als ich die Namen aufzählte. Als er nichts dazu sagte, sprach ich weiter.
    »Ich denke, das sind alles gute Männer. Wirklich jeder hier. Aber die ich aufgezählt habe – das sind die Männer, mit denen ich mich am besten verstehe. Hast du das gemeint?«
    »Was ist deine Lieblingsaufgabe hier?«, fragte er; ein überraschender Themenwechsel, der seinem beleibten Freund Abdul Ghani alle Ehre gemacht hätte.
    »Hm … das ist verrückt, und ich hätte das selbst niemals erwartet, aber ich glaube, ich kümmere mich am liebsten um die Pferde.«
    Aus Khaders Lächeln wurde unversehens ein vergnügtes Lachen, und ich dachte, dass er wohl an unseren Einzug ins Lager dachte, den ich am Hals meines Pferdes hängend vollzogen hatte.
    »Nun gut«, sagte ich grinsend. »Ich bin nun mal nicht der Welt bester Reiter.«
    Khader lachte noch lauter.
    »Aber ich fing wirklich an, die Pferde zu vermissen, als du uns aufgetragen hast, sie dort unten in der Höhle unterzubringen. Es ist sonderbar – ich habe mich daran gewöhnt, sie um mich zu haben, und ich habe mich immer wohlgefühlt, wenn ich bei ihnen sein und sie striegeln und füttern konnte.«
    »Verstehe«, murmelte Khader und sah mich forschend an. »Sag mir: Wenn die anderen beten und du dich zu ihnen gesellst – ich habe dich manchmal gesehen, wie du neben ihnen kniest – , was sprichst du dann? Gebete?«
    »Ich … ich spreche gar nicht«, antwortete ich stirnrunzelnd und zündete noch zwei Beedies an – nicht, weil ich rauchen

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