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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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sehen, dicht bei ihm. Ich glaube, er hätte auch neben ihm reiten wollen, wenn er gewusst hätte, dass man sie töten würde. Er hätte so sterben wollen, glaube ich. Und er war nicht der Einzige.«
    »Wo hast du das Foto gefunden?«
    »Khaled hatte den Film bei sich. Erinnerst du dich? Er hatte eine Kamera mitgenommen, die einzige, die Khader erlaubt hatte. Dieser Film war bei den Sachen, die Khaled fallen ließ, als er fortging. Ich hab ihn mitgenommen und letzte Woche ins Labor gebracht. Heute Morgen war er fertig. Ich dachte, du wolltest die Bilder vielleicht sehen, bevor wir aufbrechen.«
    »Aufbrechen? Wohin?«
    »Wir müssen hier weg. Wie fühlst du dich?«
    »Gut«, log ich. »Es geht mir gut.«
    Ich setzte mich auf und schwang die Beine über den Rand des Feldbetts. Als meine Füße den Boden berührten, durchfuhr mich ein bohrender Schmerz, und ich stöhnte unwillkürlich laut auf. Meine Stirn pochte. Ich tastete mit meinen bandagierten Händen nach dem Verband unter der Mullbinde, die wie ein Turban um meinen Kopf geschlungen war. Ein weiterer Schmerz tobte in meinem Ohr. Meine Hände taten weh, und meine Füße, die in drei oder vier Paar Socken steckten, brannten. Die Stelle an meiner linken Hüfte, an der mich Monate zuvor, als die Düsenjäger über uns hinweg heulten, der Pferdehuf erwischt hatte, machte sich auch bemerkbar. Die Wunde war nie richtig ausgeheilt, und ich hatte den Verdacht, dass der Knochen verletzt war. Mein Unterarm war unter dem Ellbogen nach wie vor taub, weil das Pferd mich in seiner Panik gebissen hatte. Auch diese Verletzung war nicht ausgeheilt.
    Ich hatte die Unterarme auf die Oberschenkel gelegt, um mich zu stützen, und nun spürte ich, wie wenig Fleisch ich nach der Hungerzeit in der Höhle noch auf den Knochen hatte. Ich war dramatisch abgemagert und alles in allem in verheerendem Zustand. Dann entsann ich mich der Bandagen an meinen Händen, und eiskalte Panik erfasste mich.
    »Was tust du?«
    »Der Verband muss runter«, knurrte ich und zerrte mit den Zähnen an den Mullbinden.
    »Warte! Warte!«, rief Mahmud entsetzt. »Lass mich machen.«
    Behutsam wickelte er die Binden auf. Ich spürte, wie mir der Schweiß aus den Augenbrauen rann und die Wangen hinunterlief. Als beide Verbände verschwunden waren, starrte ich auf die entstellten Krallen, die einst meine Hände gewesen waren, und versuchte die Finger zu bewegen. Durch die Erfrierungen waren sämtliche Knöchel gesprungen, und die Blutergüsse sahen scheußlich aus, aber alle Finger waren vollständig vorhanden.
    »Das verdankst du Nasir«, murmelte Mahmud, als er die aufgeplatzte abblätternde Haut betrachtete. »Sie wollten die Finger amputieren, aber Nasir hat es verhindert. Er hat sie erst gehen lassen, als alle Wunden behandelt waren. Und er hat sie gezwungen, die Erfrierungen in deinem Gesicht zu behandeln. Er hatte die Kalaschnikow und deine Pistole. Hier – er hat mich gebeten, sie dir zu geben, wenn du aufwachst.«
    Er reichte mir die Stechkin, in ein Stück Leinen eingeschlagen. Ich wollte sie entgegennehmen, konnte aber das Bündel nicht halten.
    »Ich bewahre sie auf für dich«, erbot sich Mahmud mit einem angespannten Lächeln.
    »Wo ist er?«, fragte ich. Ich war noch immer benommen und halb betäubt von den Schmerzen, fühlte mich aber von Minute zu Minute stärker und besser.
    »Da drüben«, sagte Mahmud und wies mit dem Kopf hinter mich. Ich drehte mich um und sah Nasir, der auf einem Feldbett lag und schlief. »Er ruht sich aus, kann aber schnell aufbrechen. Wir müssen bald hier weg. Unsere Freunde können bald kommen, und dann müssen wir sofort los.«
    Ich sah mich um. Wir befanden uns in einem großen sandfarbenen Zelt mit Pritschenboden, in dem an die fünfzehn Klappbetten aufgestellt waren. Männer, die afghanische Kleidung trugen – blassgrüne weite Hosen, Tuniken und lange Westen –, wuschen die Verwundeten, verschafften ihnen Kühlung, indem sie ihnen mit Strohfächern Luft zufächelten, und schafften Exkremente durch einen schmalen Schlitz im Zelt nach draußen. Einige der Verwundeten stöhnten Worte in Sprachen, die ich nicht verstand. Die Luft in den Ebenen Pakistans erschien mir nach den Monaten in den verschneiten Bergen von Afghanistan heiß, lastend und stickig. Ich nahm eine Vielzahl starker Gerüche wahr, vor allem jedoch einen: den unverkennbaren Duft von indischem Basmati-Duftreis, der in der Nähe des Zeltes gekocht wurde.
    »Ich habe einen Scheißhunger, Mann, das kann

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