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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Raj, du musst mit uns teilen. Alles klar?«
    Die Männer nickten oder wiegten den Kopf.
    »Hört zu, wenn wir abwarten, können wir mit dreißig Mann und dreißig Waffen mehr angreifen. Das wisst ihr. Aber es kann sein, dass wir sie dann verpassen. Wenn wir jetzt einen Überraschungsangriff starten, kriegen wir sie vielleicht alle dran, ohne dass einer entkommt. Ich will die erledigen, ich will die ganze Angelegenheit erledigt haben, und zwar jetzt, heute Abend. Aber ich möchte die Entscheidung euch überlassen. Ihr sollt euch nur da rein begeben, wenn ihr dazu bereit seid. Wollt ihr auf Verstärkung warten oder jetzt zuschlagen?«
    Einer nach dem anderen sagte rasch seine Meinung, und die Meisten benutzten das Wort abi, jetzt. Salman nickte. Dann schloss er die Augen und sprach ein Gebet auf Arabisch. Als er aufschaute, war er völlig konzentriert, und in seinen Augen loderten der Hass und die mörderische Wut, die er mühsam beherrscht hatte.
    »Saatch … aur himmat«, sagte er und sah jedem Mann in die Augen. Wahrheit … und Mut.
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, nahmen sich die Männer ihre Waffen. Wir stiegen in die beiden Autos und legten die kurze Strecke zu Chuhas Haus in der eleganten Sardar Patel Road zurück. Noch bevor ich dazu kam, meine Gedanken zu ordnen und überhaupt zu überlegen, was ich da tat, schlich ich mit Abdullah eine enge dunkle Gasse entlang und bemühte mich angestrengt, etwas zu erkennen. Dann stiegen wir rasch über einen einfachen Holzzaun und standen im Garten des Feindes.
    Ein paar Momente lang rührten wir uns nicht, schauten auf die Leuchtanzeige unserer Armbanduhr und horchten angestrengt. Als Abdullah schließlich etwas flüsterte, zuckte ich erschrocken zusammen.
    »Nichts«, flüsterte er. Seine Stimme klang so körperlos wie das Rascheln einer Wolldecke. »Hier ist niemand, keiner in der Nähe.«
    »Scheint alles klar zu sein«, antwortete ich. Mein Flüstern klang heiser, weil mir vor Angst der Atem stockte. Wir sahen kein Licht im Haus, weder in den Fenstern noch hinter der blauen Tür.
    »Ich habe mein Versprechen gehalten«, flüsterte Abdullah.
    »Wie?«
    »Ich musste dir versprechen, dich mitzunehmen, wenn ich Chuha töte. Weißt du noch?«
    »Ja«, sagte ich, und das Herz schlug mir bis zum Hals. »Man muss wohl vorsichtig sein.«
    »Ich werde vorsichtig sein, Lin, mein Bruder.«
    »Nein – ich meine, man muss vorsichtig damit sein, was man sich wünscht im Leben, na ?«
    »Ich werde versuchen, diese Tür zu öffnen«, flüsterte Abdullah dicht an meinem Ohr. »Wenn ich sie aufkriege, gehe ich rein.«
    »Was?«
    »Du wartest hier an der Tür.«
    »Wir sollen beide an der Tür Wache halten!«, zischte ich.
    »Ich weiß«, flüsterte er noch, bevor er geschmeidig wie ein Leopard zum Haus hinüberschlich.
    Ich folgte ihm, kam mir dabei aber wie eine steifbeinige Katze vor, die nach langem Schlaf gerade aufgestanden ist. Als ich an der kleinen Treppe nach unten Halt machte, sah ich gerade noch, wie Abdullah die blaue Tür öffnete und ins Haus huschte, schnell wie der Schatten eines Raubvogels, der sich auf seine Beute stürzt. Dann schloss er die Tür geräuschlos hinter sich.
    Ich zog mein Messer aus der Scheide am Rücken und umklammerte es mit der rechten Hand, die Spitze nach unten gerichtet. Dann starrte ich in die Dunkelheit und konzentrierte mich mit aller Willenskraft darauf, meinen Herzschlag zu verlangsamen. Nach einer Weile gelang es mir. Ich spürte, wie er sich beruhigte.
    Und ich fand noch mehr Ruhe in einem einzigen Gedanken, den der stetige Rhythmus meines Herzschlags begleitete. Der Gedanke betraf Khaderbhai und die Formel, die er mich so oft wiederholen ließ: Das Falsche aus den richtigen Gründen tun. Und als ich die Worte jetzt stumm wiederholte, als ich alleine in der Dunkelheit stand, wusste ich, dass der Angriff auf Chuha, der Krieg, der Kampf um Macht stets derselbe war. Und er war immer und überall falsch.
    Salman und die anderen glaubten ebenso wie Chuha und die Sapna-Killer und alle anderen, dass ihre kleinen Reiche sie zu Königen machten; dass ihr Kampf um Macht ihnen Macht verlieh. Doch so war es nicht. Ich verstand das in diesem Augenblick so plötzlich, als habe ich zum ersten Mal ein mathematisches Theorem begriffen. Das einzige Reich, das einen Mann zum König macht, ist das Reich seiner Seele. Die einzige Macht von Bedeutung ist die Macht, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und nur Männer wie Qasim Ali Hussein und Johnny

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