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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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dem er wohnt –, die stinkenden offenen Latrinen dort, der hoffnungslose Dreck überall und die Menschen, die einen aus dem Eingang ihrer Bruchbuden anstarren … und man kann nichts ändern. Man kann nichts dagegen tun. Man muss sogar hinnehmen, dass alles noch schlimmer sein könnte und dass es niemals wirklich besser werden wird und dass man all dem gegenüber vollkommen hilflos ist.«
    »Es ist gut zu wissen, was nicht richtig ist auf dieser Welt«, sagte Karla nach einer Weile. »Aber genauso wichtig ist es zu wissen, dass man manchmal nichts daran ändern kann. Viele Missstände auf der Welt sind erst in dem Moment richtig schlimm geworden, als jemand versucht hat, etwas an ihnen zu verändern.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das glauben möchte. Ich weiß, dass du recht hast: Manchmal verschlimmern wir etwas, indem wir es unbedingt verbessern wollen. Aber ich möchte daran glauben, dass alles und jeder sich verbessern kann, wenn wir es nur richtig anpacken.«
    »Ich bin Prabaker heute zufällig begegnet. Er sagte, ich sollte dich nach dem Wasser fragen – was immer das heißen soll.«
    »Ah!« Ich lachte. »Gestern ging ich in meinem Hotel nach unten, weil ich mich mit Prabaker auf der Straße treffen wollte. Und dann traf ich auf der Treppe einen Mann nach dem anderen, alles Inder, die mit großen Wasserkübeln auf dem Kopf nach oben gingen. Ich musste mich an die Wand drücken, damit sie vorbeikamen. Als ich unten ankam, sah ich da ein riesiges Holzfass mit eisenbeschlagenen Rädern stehen, eine Art Wasserwagen. Ein Mann schöpfte mit einem Eimer Wasser heraus und füllte es in die großen Tragegefäße. Ich stand da ewig herum und sah zu, wie diese Männer das Wasser die Treppe raufschleppten. Als Prabaker kam, habe ich ihn gefragt, was sie machen. Und er sagte, das sei das Wasser für meine Dusche. Die Dusche sei an einen Tank auf dem Dach angeschlossen, und diese Männer würden gerade den Tank auffüllen.«
    »Ja, sicher.«
    »Ja, du weißt das, und ich weiß es jetzt auch, aber ich habe das gestern zum ersten Mal gehört. Bei dieser Hitze habe ich es mir angewöhnt, dreimal am Tag zu duschen. Ich komme doch nicht von mir aus auf die Idee, dass irgendwelche Männer sechs Stockwerke hochsteigen und so einen blöden Tank auffüllen müssen, damit ich duschen kann. Ich fühlte mich scheußlich deshalb, weißt du. Und dann habe ich zu Prabaker gesagt, dass ich in diesem Hotel nie wieder duschen würde. Nie wieder.«
    »Und was hat er geantwortet?«
    »Er sagte: Nein, nein, du verstehst das nicht. Er hat gemeint, das sei ein LeuteJob und dass diese Männer nur wegen Touristen wie mir überhaupt Arbeit hätten. Jeder dieser Männer würde von seinem Lohn eine ganze Familie ernähren können. Du solltest jeden Tag dreimal duschen, viermal duschen, sogar fünfmal duschen, hat er gesagt.«
    Sie nickte zustimmend.
    »Dann sagte er mir, ich solle die Männer beobachten, wenn sie weiterziehen. Und ich glaube, ich habe verstanden, was er mir damit zeigen wollte. Die Männer waren stark. Kräftig und stolz und gesund. Sie betteln nicht und stehlen nicht. Sie arbeiten schwer für ihr Geld und sind stolz darauf. Als sie im Laufschritt den Wagen schoben und junge indische Frauen ihnen verstohlene Blicke zuwarfen, sind sie aufrecht und würdevoll weitergezogen.«
    »Und duschst du jetzt noch im Hotel?«
    »Dreimal am Tag«, erwiderte ich lachend. »Sag mal, warum war Lettie so wütend auf Maurizio?«
    Karla blickte mir zum zweiten Mal an diesem Abend direkt in die Augen.
    »Lettie hat einen ziemlich guten Draht zur Ausländerbehörde. Es gibt da einen ranghohen Polizeibeamten, der ganz verrückt nach Saphiren ist. Lettie besorgt ihm welche zum Einkaufspreis oder sogar noch darunter. Im Tausch für diese … Gefälligkeit kann sie irgendwelche Visa verlängern lassen, und zwar fast unbegrenzt. Maurizio brauchte ein neues. Und deshalb hat er Lettie in dem Glauben gewiegt, dass er verliebt in sie sei – na ja, man könnte wohl sagen, er hat sie verführt –, und als er bekommen hatte, was er wollte, hat er sie abserviert.«
    »Lettie ist deine Freundin …«
    »Ich habe sie gewarnt. Maurizio ist kein Mann, den man lieben kann. Man kann alles Mögliche mit ihm machen, nur lieben sollte man ihn nicht. Aber sie hat nicht auf mich gehört.«
    »Kannst du Maurizio denn noch leiden? Nachdem er so mit deiner Freundin umgesprungen ist?«
    »Maurizio hat sich genau so verhalten, wie ich es von ihm erwartet habe. In seinen Augen war

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