Shantaram
kannten keine anderen Ausländer und hatten keinen Vergleich. Wenn ich grimmig oder streng war, lachten sie und klopften mir ermunternd auf den Rücken. Sie hielten mich für einen friedlichen Mann, welche Miene ich auch aufsetzte. Für sie war ich ein Spaßvogel, jemand, der hart arbeitete und für die Kinder den Hanswurst spielte, der mit ihnen sang und tanzte und mit offenem Herzen lachte.
Ich glaube, dass ich damals wirklich mit offenem Herzen lachte, weil ich die Chance hatte, mich selbst neu zu erfinden, jenem inneren Fluss zu folgen und zu dem Mann zu werden, der ich immer hatte sein wollen. Kaum drei Stunden, bevor ich erfahren sollte, was es mit den Holzpflöcken und dem Überschwemmungsspiel auf sich hatte, hatte Prabakers Mutter mir eröffnet, dass ich einen neuen Namen bräuchte, einen auf Marathi, einen wie ihren, und dass sie dafür die Frauen des Dorfs zusammengerufen hätte. Sie hätten entschieden, dass ich den Familiennamen Kharre tragen solle, weil ich doch bei Prabaker zu Hause wohnte. Weil Kishan Prabakers Vater und damit mein Adoptivvater sei, gebiete die Tradition, dass sein Vorname mein zweiter Name sein müsse. Und weil ich, so schloss Rukhmabai, ihrer Einschätzung nach mit einem friedlichen, glücklichen Wesen gesegnet sei, hätten die Frauen ihrem Vorschlag für meinen Vornamen zugestimmt. Ich sollte von jetzt an Shantaram heißen, was Mann des Friedens oder Mann von Gottes Frieden bedeutet.
Und damit hämmerten sie ihre Pföcke unwiderrufich in die Erde meines Lebens, diese Bauern. Sie kannten die Stelle in meinem Innern, wo der Fluss aufhörte, und markierten sie mit einem neuen Namen. Shantaram Kishan Kharre. Ich weiß nicht, ob sie diesen Namen im Herzen des Mannes, für den sie mich hielten, entdeckt hatten oder ob sie ihn als frommen Wunsch dort einpflanzten, auf dass er blühen und gedeihen sollte. Doch ob sie diesen Frieden nun in mir entdeckten oder selbst erschufen, Tatsache ist, dass der Mensch, der ich heute bin, damals geboren wurde, als ich bei den Überschwemmungspflöcken stand und der Regen mein Gesicht wie Balsam überfoss. Shantaram. Der bessere Mensch, der ich, langsam und viel zu spät, zu werden begann.
S IEBTES K APITEL
I st sie ein prima wunderschöne Prostituierte«, beteuerte Prabaker. »Ist sie so fett, und das an die viel wichtigste Stellen. Hast du viel prima was in die Hände, wenn du anfasst diese Frau, egal, wo du willst. Wirst du sein ganz krank vor all deine Begeisterung!«
»Verlockend, Prabu«, antwortete ich und versuchte, nicht zu lachen, »aber danke, kein Interesse. Wir sind erst gestern abgereist, und im Kopf bin ich noch in Sunder. Ich hab einfach … keinen Bock.«
»Bock ist er kein Problem,Baba.Fängst du an,und wenn du machst bumsen und wumsen und hopsen und hoppeln, ist sie ganz prima schnell weg, die schlechte Laune. Siehst du gleich dann, Baba, flutschdiwutsch !«
»Kann ja sein. Aber trotzdem: Ich lass es sein.«
»Aber ist sie so gut prima Experte in die Sexsache!«, jammerte er. »Haben sie mir das erzählt, die Burschen. Hat sie gemacht so oft die Sexsache mit so viel Hundert Kunden, hier in dies Hotel. Hab ich geschaut tief rein in die ihre Augen und weiß ich jetzt, dass sie ist prima sehr, sehr gut in die ganze Sexsache.«
»Ich will aber keine Nutte, Prabu. Egal, wie gut sie ist.«
»Aber siehst du sie nur mal kurz an. Wirst du ganz verrückt sein nach ihr.«
»Tut mir leid, Prabu.«
»Aber hab ich ihn gesagt … dass du kommst und anschaust. Nur anschauen. Kann das nix schaden, nur anschaust du, Linbaba.«
»Nein.«
»Aber … aber krieg ich die mein Anzahlung nicht zurück, wenn du nicht kommst und wenn du nicht anguckst ein bisschen wenig.«
»Du hast eine Anzahlung gemacht?«
»Ja, Lin.«
»Du hast Geld bezahlt, damit ich in diesem Hotel mit einer Nutte schlafe?«
»Ja, Lin«, seufzte er, hob die Arme und ließ sie hilflos wieder sinken. »Warst du ganzes halbes Jahr im Dorf. Ein ganzes halbes Jahr ohne die Sexe. Hab ich gedacht, spürst du das Drücken bestimmt ganz sehr. Und krieg ich jetzt mein prima Geld nicht zurück, wenn du nicht gehst ein wenig bisschen anzugucken sie.«
»Na gut«, seufzte ich und ahmte seine hilflose Geste nach. »Dann schauen wir uns die halt mal an, damit du aus der Sache wieder rauskommst.«
Ich zog die Tür unseres Hotelzimmers hinter mir zu und schloss ab. Gemeinsam gingen wir durch den breiten Korridor. Das Apsara Hotel in Aurangabad, nördlich von Bombay, war über
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