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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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Steine mit heraus, in denen es befestigt war.
    In diesem Augenblick hörte Kelderek oben ein starkes reibendes Geräusch und sah, als er hinaufblickte, wie sich ein Lichtfleck im Dach langsam vor seinen Augen verengte. Als er darauf starrte, wurde ihm plötzlich klar, daß sich der große Pfosten über ihm bewegte und, sich langsam wie ein Schlüssel in einem Schloß drehend, umkippte. Noch einen Augenblick, und das eine, nicht mehr von der Wand gestützte Ende kratzte und splitterte wie ein Riesenfinger an der Mauer nach unten.
    Als der Pfosten stürzte, warf sich Kelderek möglichst weit von den Stangen zu Boden. Der Pfosten fiel schräg über die Eisenstangen und schlug sie zu einem Viertel ihrer Länge zusammen, so daß sie kaum mehr als einen Meter hoch waren. Dann blieb er so liegen, ein Ende hing in dem Eisengewirr, und das andere lag schräg an der gegenüberliegenden Wand. Die Stangen aber waren darunter verbogen und geknickt wie Grashalme. Langsam senkte sich die ganze zertrümmerte Masse weiter. Dahinter breitete sich das Feuer immer mehr durch das Stroh aus, und die Luft wurde immer rauchiger.
    Im Saal hallte Geschrei und Tumult. Viele sahen sich nach dem nächsten Ausgang um, andere versuchten, Ordnung zu halten oder ihre Freunde um sich zu sammeln. An den Türen standen zögernde Soldaten und warteten auf die Befehle ihrer Offiziere, die sich in dem Getöse nicht verständlich machen konnten.
    Nur Shardik – Shardik und ein anderer bewegten sich mit bedenkenloser Sicherheit. Der Bär kam aus dem brennenden Stroh über die zerbrochenen Stangen, indem er mit einem Lärm wie beim Erstürmen einer Bresche an dem Eisen riß.
    Wie wenn ein Damm in einem Hochtal im Gebirge zusammenbricht und das Wasser in donnernden Massen durch eine Öffnung stürzt und weiterströmt, nicht aus eigenem Trieb, sondern bloß einem seelenlosen, einem Naturgesetz folgend – so bahnte sich Shardik, in seiner wilden Angst um sich schlagend und die zerbrochenen Stangen überkletternd, seinen Weg.
    Wie Menschen unter dem Damm, die am Wasserweg wohnen oder arbeiten, mit Schrecken erkennen, daß eine ungeahnte Katastrophe über sie hereinbricht, die unabwendbar ist und keinen anderen Ausweg läßt als sofortige, überstürzte Flucht – so wurde den Menschen in der Halle klar, daß Shardik ausgebrochen war und unter ihnen weilte.
    Und wie die vom Damm weiter Entfernten, wo immer sie sein mögen, sobald sie das Getöse der einstürzenden Mauer, das Brausen des Wassers und den plötzlichen Tumult hören, stehenbleiben und einander mit weit geöffneten Augen anstarren, das Dröhnen einer Katastrophe erkennen, aber noch nicht wissen, daß dadurch die Arbeit von Jahren vernichtet, ihr Wohlstand dahin ist und ihr Name in Mißkredit gerät – so hörten die Leute in der Oberstadt, die aufmerksamen Wachen auf der Mauer, die hustenden und fröstelnden Gärtner und Viehtreiber bei ihrer Arbeit an den Ufern des Hakensees, die an den Türen ihrer Herren umherlungernden Diener der Delegierten, die jungen Leute, die für den Vormittag das Bogenschießtraining unterbrachen, die Hofdamen, die, eingemummt gegen die Kälte, vom Dach des Palastes der Barone südwärts blickten in Erwartung der Sonne, welche über den Crandorkamm hochsteigen und den Nebel zerstreuen würde – sie alle hörten das Fallen des Pfostens, das Klirren der Stäbe und den darauffolgenden Tumult. Jedem wurde auf seine Weise klar, daß ein Unglück geschehen sein mußte, und alle setzten sich, geängstigt, aber ohne noch die Wahrheit zu ahnen, zum Haus des Königs in Bewegung und befragten jeden, den sie auf dem Weg trafen.
    Als Shardik über den Trümmerhaufen geklettert kam, lösten sich Eisen- und Holzfragmente, und der Haufen verlagerte sich unter seinem Gewicht und sank ein. Er stieg auf eine Verbindungsstange, hockte dort einen Moment und bückte hinunter in die Halle, unheildrohend wie ein Kater auf dem Dachboden auf die quietschend davonlaufenden Mäuse. Als dann die Stange unter ihm nachgab, sprang er unbeholfen hinunter und landete auf den Steinen zwischen dem Kohlenbecken und der Hinrichtungsbank. Rund um ihn schrien und stießen, schlugen und rissen die Menschen aneinander in ihrem Bestreben zu entfliehen. Vorerst ging er aber nicht weiter, sondern blieb, von einer Seite zur anderen schwankend, auf der Stelle – eine erschreckend ausdrucksvolle Bewegung, die Wut und Gewalttätigkeit ankündigte. Dann erhob er sich auf die Hinterbeine und spähte über die Köpfe

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