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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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brannte der Stamm, zerbarst in Funken und Asche und trieb davon, hinaus über die vertraute Welt von Tag und Nacht, von Hunger, Arbeit und Ruhe. Das rote Licht schien nun nahe zu sein, und als es noch näher kam und höher über ihnen stand, fiel er nach vorne und schlug mit der Stirn auf den Bug.
    Er spürte keinen Schmerz von dem Aufschlag, aber es schien ihm, als wäre er taub geworden, denn er hörte das Plätschern des Wassers nicht mehr. Der Wahrnehmungen, des Willens und der Identität beraubt, wußte er, daß er nur mehr aus menschlichen Überresten bestand. Er war niemand; und doch blieb er bei Bewußtsein. Gleichsam einem Befehl gehorchend, schloß er die Augen. Im selben Moment hörten die Paddler auf zu rudern, beugten Kopf und Arme, und das Kanu, das gänzlich seine Fahrtrichtung verlor, trieb mit dem Strom zu der unsichtbaren Insel.
    Nun begann alles, was er seit der Kindheit von der Tuginda gesehen und gehört hatte, in dem ihm noch verbliebenen Bewußtsein aufzutauchen. Zweimal im Jahr kam sie zu Wasser nach Ortelga, die fernen Gongschläge ertönten durch den Frühmorgennebel, die Menschen warteten stumm am Ufer. Die Männer blieben bäuchlings am Boden liegen, während man die Tuginda und ihre Frauen empfing und zu einer für ihre Ankunft erbauten Hütte führte. Es gab Tänze und ein feierliches Blumenfest; aber ihr eigentliches Anliegen war zuerst eine Besprechung mit den Baronen und dann, in einer für die Frauen geheimen Sitzung, Gespräche über ihre Mysterien und die aus einer vorgeschlagenen Gruppe erfolgende Auswahl von einer oder zwei Frauen, die zum ständigen Dienst mit ihr nach Quiso zurückfuhren. Wenn sie am Ende des Tages bei Fackellicht im Dunkel davonfuhr, wurde die Hütte niedergebrannt und die Asche auf dem Wasser verstreut.
    Wenn sie an Land kam, war sie verschleiert, doch wenn sie mit den Baronen sprach, trug sie eine Bärenmaske. Niemand kannte das Gesicht der Tuginda oder wußte, wer sie einst gewesen sein mochte. Die Frauen, die ausgewählt wurden, um sie auf ihre Insel zu begleiten, kehrten niemals zurück. Man nahm an, daß sie neue Namen erhielten; jedenfalls wurden ihre früheren Namen auf Ortelga nie wieder ausgesprochen. Man wußte nicht, ob die Tuginda starb oder abdankte, wer ihr folgte, wie ihre Nachfolgerin ausgewählt wurde oder auch nur, gelegentlich ihres Besuchs, ob sie eigentlich dieselbe Frau war wie das letztemal. Kelderek hatte einmal als Kind seinen Vater ausgefragt, begierig, wie die Jugend oft nach Dingen ist, bei denen sie merkt, daß die Älteren sie für ernst halten und wenig darüber sprechen. Als Antwort hatte sein Vater ein Stück Brot befeuchtet, es in die grobe Form eines Menschen geknetet und an den Rand des Feuers gestellt. »Bleib den Mysterien der Frauen fern, mein Sohn«, sagte er, »und fürchte sie aus tiefstem Herzen, denn sie können dich verzehren. Sieh doch« – das Brot trocknete, wurde braun, schwarz und schrumpfte zu Asche zusammen –, »verstehst du das?« Kelderek verstummte bei den ernsten Worten seines Vaters, nickte und sagte nichts mehr. Aber er merkte es sich.
    Was hatte ihn heute abend in dem Raum hinter dem Sindrad behext? Was hatte ihn veranlaßt, dem Großbaron zu trotzen? Wie waren diese Worte über seine Lippen gekommen, und warum hatte ihn Bel-ka-Trazet nicht sofort getötet? Eines wußte er – seit er den Bären gesehen hatte, war er nicht mehr Herr seiner selbst. Zuerst hatte er geglaubt, er werde von Gottes Macht getrieben, doch nun war das Chaos sein Meister. Sein Geist und Körper waren aufgetrennt wie ein altes Kleidungsstück, und was von ihm noch übrig war, lag in der Macht der überirdischen, nachtumschlossenen Insel.
    Sein Kopf ruhte noch auf dem Bug, und ein Arm hing über Bord ins Wasser. Hinter ihm entfiel das Paddel Ankrays Händen und trieb davon, das Kanu stieß am stromaufwärts liegenden Ufer auf Grund, seine Insassen sanken dort, wo sie saßen, benommen und gebannt, willenlos, wie bewußtlos zusammen. Und so blieben sie, Treibholz, Triftgut und Schaum, während weit stromaufwärts das Mondviertel unterging und die Dunkelheit einfiel, unterbrochen einzig durch den Schein des landeinwärts hoch oben unter den Bäumen noch brennenden Feuers.
    Die Zeit verstrich – eine nur durch die Bewegung der Sterne gekennzeichnete Zeit. Kleine, kurze Flußwellen plätscherten an den Kanuwänden, und ein- oder zweimal bewegte ein aufkommender Nachtwind geräuschvoll die Zweige der nächsten Bäume; nie jedoch

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