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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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gab es bei den vier im Kanu wie Vögel auf einer Stange im Dunkel zusammengekauerten Männern die geringste Regung.
    Endlich erschien ein kleineres grünes, schwankendes Licht und näherte sich dem Wasser. Als es das steinige Ufer erreichte, war ein Knirschen von Schritten und leises Stimmengemurmel zu vernehmen. Zwei Frauen in Mänteln kamen heran, die an einer Stange zwischen sich eine runde, flache Laterne von der Größe eines Schleifsteins trugen. Der Rahmen war aus Eisen, und die Zwischenräume waren mit geflochtenen Binsentafeln ausgefüllt, die lichtdurchlässig, aber stark genug waren, um die im Innern steckenden Kerzen abzuschirmen und zu schützen.

    Die zwei Frauen erreichten den Flußrand, blieben stehen und horchten. Nach kurzer Zeit hörten sie im Dunkel das Anschlagen des Wassers an das Kanu – ein nur für Ohren, die mit jedem Wind- und Wellengeräusch am Ufer vertraut waren, vernehmbarer Ton. Dann stellten sie die Laterne nieder, die eine zog die Stange aus dem Ring und rief, wobei sie mit ihr auf das seichte Wasser schlug, mit rauher Stimme: »Wacht auf!«
    Der Klang erreichte Kelderek mit der Schärfe eines Moorhennenschreis. Er blickte auf und sah das flackernde, in dem spritzenden Wasser am Ufer widerscheinende grüne Licht. Nun hatte er keine Angst mehr. Wie sich der schwächere von zwei Hunden an die Wand drückt und regungslos bleibt, weil er weiß, daß das für ihn Sicherheit bedeutet, hatte Kelderek durch völlige Hingabe an die Macht der Insel seine Angst verloren.
    Er hörte, wie sich der Baron hinter ihm bewegte. Bel-ka-Trazet murmelte ein paar unverständliche Worte und spritzte sich eine Handvoll Wasser ins Gesicht, machte aber keine Anstalten, an Land zu waten. Kelderek wandte für einen Augenblick den Kopf und sah, wie der Großbaron, als sei er noch immer betäubt, auf die schwach leuchtende Wirbelbewegung im seichten Wasser starrte.
    Wieder rief die Frauenstimme: »Kommt!« Langsam stieg Bel-ka-Trazet über die Kanuwand ins Wasser, das ihm kaum bis ans Knie reichte, und watete auf das Licht zu. Kelderek folgte ihm, ungeschickt durch die glitschigen Tümpel patschend. Am Ufer angelangt, fand er vor sich eine große regungslose, in einen Mantel gehüllte Frau, deren Gesicht in einer Kapuze verborgen war. Auch er blieb stehen und wagte nicht, ihr Schweigen zu stören. Er hörte, wie die Diener hinter ihm an Land kamen, aber die hochgewachsene Frau beachtete sie nicht, sondern starrte ihn weiter an, als wolle sie seinen Herzschlag erschauen. Endlich – so dachte er – nickte sie und wandte sich um, bückte sich und steckte die Stange durch den Eisenring an der Laterne. Dann hoben sie und ihre Gefährtin sie hoch, und sie begannen, sich zu entfernen, ohne über die losen, nachgebenden Steine zu stolpern. Kein Mann regte sich, bis sie etwa zehn Schritte weit waren, dann rief die große Frau, ohne sich umzublicken: »Folgt uns!« Kelderek gehorchte und blieb dabei ein Stück hinter ihnen wie ein Diener.
    Bald begannen sie, einen steilen Pfad in den Wald emporzusteigen. Er mußte zwischen den Felsen nach Handgriffen tasten, die Frauen aber schritten leicht hintereinander nach oben, wobei die größere die Stange über ihren Kopf hob, damit die Laterne nicht abrutschte. Sie stiegen weiter, und er folgte ihnen atemlos im Dunkel, bis der Weg weniger steil und dann eben wurde; er vermutete, daß sie nicht mehr weit vom höchsten Punkt der Insel entfernt sein konnten. Die Bäume wurden dicht, und er konnte das Licht vor ihnen nicht mehr sehen. Beim Klettern zwischen den Farnen und Blätterhaufen hörte er – je weiter er ging, desto lauter – das Rauschen eines Wasserfalls, und plötzlich stand er auf einem Felsvorsprung über einer Schlucht. Auf der gegenüberliegenden Seite lag eine mit Steinen gepflasterte Terrasse, in deren Mitte die Nachglut eines Feuers glimmte. Dies war sicher die Lichtquelle hoch oben, die er vom Fluß aus gesehen hatte – eine als Wegweiser für sie entzündete Bake. Dahinter ragte im Dunkel eine Felswand hoch, und die konnte er deutlich sehen, denn an den Rändern der Terrasse standen fünf Dreifüße, jeder mit einer Bronzeschale, aus der transparente gelbe, grüne und blaue Flammen hochstiegen. Es gab wenig Rauch, aber die Luft war von einem harzigen, süßen Duft erfüllt.
    Verwirrender und ehrfurchterregender als die leere Terrasse mit ihren Flammenschalen war die in die Felswand dahinter geschlagene quadratische Öffnung. Darüber hing, auf jeder Seite von

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