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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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und wahrscheinlich weckte ihre Fremdartigkeit abergläubische Furcht. Das weder nach Tier noch Mensch riechende, dicht durchwachsene Dämmerlicht würde Shardik eine willkommene Abgeschiedenheit bieten. Vielleicht würde er es sogar, wenn er nicht Nahrung suchen müßte, ungern verlassen.
    Je mehr Kelderek überlegte, desto mehr schien ihm die Schlucht eine ausgezeichnete Möglichkeit für das Wiedereinfangen Shardiks zu bieten, bevor er noch die Berge erreichte. Seine verdrießliche Stimmung besserte sich, als er zu planen begann, was nun am besten zu tun wäre. Diesmal mußte er die Einheimischen um jeden Preis von seiner Rechtschaffenheit überzeugen. Er wollte ihnen beträchtliche Belohnungen versprechen – tatsächlich alles, was sie verlangen würden: Befreiung von Marktzöllen, von Sklavenkontingenten, vom Militärdienst –, vorausgesetzt, daß sie Shardik in der Schlucht festhalten könnten, bis er wieder eingefangen wäre. Vielleicht würde sich das nicht als allzu schwierig erweisen. Ein paar Ziegen, einige Kühe – Wasser war vielleicht vorhanden. Ein Bote könnte Bekla vor Sonnenuntergang erreichen, und noch vor dem morgigen Abend müßten Helfer eintreffen können. Sheldra mußte beauftragt werden, die erforderlichen Betäubungsmittel mitzubringen.
    Wenn nur er selbst nicht so erschöpft wäre! Auch er würde schlafen müssen, wollte er nicht zusammenbrechen. Sollte er sich einfach an Ort und Stelle hinlegen und darauf vertrauen, daß Shardik noch in der Schlucht sein würde, wenn er selbst wieder aufwachte? Aber die Nachricht mußte, noch bevor er sich schlafen legte, nach Bekla geschickt werden. Er würde in eines der Dörfer gehen müssen; vorher mußte er aber einen Hirten finden und ihn überreden, die Schlucht zu überwachen, bis er zurückkäme.
    Plötzlich hörte er Stimmen in einiger Entfernung und wandte sich schnell um. Zwei Männer waren offenbar, bevor er sie hörte, über den Hang heraufgekommen und entfernten sich nun langsam von ihm über den Kamm. Es schien merkwürdig, daß sie ihn anscheinend nicht gesehen oder nicht mit ihm gesprochen hatten. Er rief laut und lief ihnen nach. Der eine war ein etwa siebzehnjähriger Junge, der andere ein hochgewachsener älterer Mann von feierlichem und gebieterischem Aussehen, der einen mannshohen Stab trug und mit einem blauen Mantel bekleidet war. Er sah durchaus nicht wie ein Bauer aus, und als Kelderek vor ihm stehenblieb, fühlte er, daß das Glück sich nun endlich zu seinen Gunsten wandelte und daß er jemanden getroffen hatte, der begreifen konnte, was er brauchte, und dafür sorgen würde, daß er es erhielt.
    »Ich bitte dich, Herr«, sagte Kelderek, »beurteile mich nicht nach meinem Äußeren. Ich bin völlig erschöpft, denn ich wandere schon einen Tag und eine Nacht lang durch die Ebene und brauche dringend deine Hilfe. Willst du dich mit mir hinsetzen – ich glaube, ich kann nicht länger stehen – und mir gestatten, dir zu erzählen, wieso ich hierherkam?«
    Der Alte legte die Hand auf Keldereks Schulter.
    »Sag mir vorher«, sprach er ernst, mit seinem Stab zu den Schluchten weisend, »ob du weißt, wie diese Orte bei uns genannt werden.«
    »Das weiß ich nicht. Ich war noch nie im Leben hier. Warum fragst du mich?«
    »Setzen wir uns hin. Es tut mir leid für dich, da du aber nun hier bist, brauchst du nicht weiterzuwandern.«
    Kelderek war so erschöpft, daß er seine Worte nicht länger abzuwägen vermochte, und sagte zuerst, er sei der König von Bekla. Der Alte ließ weder Überraschung noch Zweifel erkennen, sondern nickte nur. Sein Blick, den er nicht von Kelderek abwandte, drückte eine Art ernstes, unvoreingenommenes Mitleid aus, wie das eines Scharfrichters oder eines Priesters am Opferaltar. Das war so beunruhigend, daß Kelderek nach einer Weile die Augen abwandte und beim Sprechen auf das grüne Tal und die seltsamen Schluchten hinausblickte. Er sagte nichts von Elleroth und Mollo oder von Santil-ke-Erketlis’ Marsch nach Norden, sondern erzählte nur von dem Dacheinsturz in der Halle, von Shardiks Flucht und wie er selbst ihm gefolgt war, seine Gefährten im Nebel verloren und einen zufällig getroffenen Boten mit Befehlen nach Bekla geschickt hatte, seine Soldaten sollten folgen und ihn suchen. Er erzählte von seinem Marsch durch das Flachland und daß Shardik – der unbedingt wieder eingefangen werden müsse – in der Schlucht unten Deckung gefunden habe, wo er zweifellos nun schlief.
    »Und eines kann ich

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