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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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verzerrten Lippen verächtlich, und er blickte sie weiter an, als habe sie nichts gesagt.
    »Wie heißt du?« wandte sie sich im gleichen Ton an Kelderek.
    Der Jäger fand, daß er alles wie im Traum, auf zwei Ebenen wahrnahm. Ein Mensch kann träumen, daß er etwas tut – vielleicht fliegt –, wovon er sogar im Traum weiß, daß er es nicht tun kann. Dennoch akzeptiert und erlebt er die Illusion und empfindet die Folgen der inakzeptablen Ursache als wirklich. Auf die gleiche Art hörte und verstand Kelderek die Worte der Priesterin und wußte dennoch, daß sie keinen Sinn hatten. Sie hätte ihn ebensogut fragen können: »Wie klingt der Mond?« Außerdem wußte er, daß sie es wußte und daß sie mit seinem Schweigen als Antwort zufrieden sein würde.
    »Kommt!« sagte sie nach einer Pause und machte kehrt.
    Sie ging vor ihnen, vor dem grimmigen, verstümmelten Baron und dem verwirrten Jäger, und führte sie aus dem Kreis der blau flammenden Schalen und durch die Öffnung in den Felsen.
     

7. Die Terrassen
     
    Das Dunkel wurde nur durch das indirekte, von den Flammen draußen auf der Terrasse eindringende Licht schwach erhellt, doch das genügte Kelderek, um zu erkennen, daß sie sich in einem viereckigen, sichtlich aus dem unbearbeiteten Fels gehauenen Raum befanden. Der Boden unter seinen Füßen war Stein, und sein und seiner Begleiter Schatten bewegten sich flackernd über eine glatte Wand. Darauf erkannte er ein Gemälde, das, wie er meinte, ein riesiges, aufrecht stehendes Geschöpf darzustellen schien. Dann traten sie hinein ins Dunkel.
    Er tastete sich hinter der Priesterin voran, dabei berührte er die vierkantig behauene Einfassung einer Öffnung in der Mauer, griff über sich – denn er hatte Angst, sich den Kopf zu stoßen –, fand aber keinen oberen Querbalken. Die Felsspalte war zwar hoch, aber ziemlich schmal – kaum mannsbreit –, und um seine verletzte Schulter zu schonen, schob er sich seitlich, mit dem rechten Arm voran, hinein. Sehen konnte er nichts, nur jene geheimnisvollen, schwach gefärbten Wolken und Nebeldämpfe, die einem, gleichsam durch das Versagen der eigenen Sicht, wie Dunstschwaden aus einem Sumpf im Dunkel vor den Augen schwimmen.
    Der Boden unter seinen Füßen neigte sich steil abwärts. Er stolperte weiter und tastete sich an der Wand entlang, die sich nach rechts krümmte. Endlich erblickte er den Nachthimmel, von dem sich die wartende Gestalt der Priesterin abhob. Er kam heran, blieb neben ihr stehen und sah sich um.
    Nach den Sternen zu schließen, war es kurz nach Mitternacht. Er stand hoch oben auf einem weiten, leeren Platz auf einer breiten Steinterrasse, deren ebene Oberfläche so rauh war, daß er die Körner und Knoten unter den Fußsohlen spürte. Zu beiden Seiten lagen bewaldete Abhänge. Die Terrasse führte in einer langen, regelmäßigen Kurve einen Steinwurf weit in einem Viertelkreis und endete zwischen Efeubüschen und Baumstämmen. Gleich darunter lag eine zweite, ähnliche Terrasse und dann noch eine und noch viele andere, das Ganze glich einer Treppe, die für Riesen oder für Götter gemacht zu sein schien. Der Abhang war steil – so steil, daß ein Sturz gefährlich gewesen wäre. Die leicht glänzenden, konzentrischen Bogen traten nach unten zurück, bis der Jäger sie im Sternenlicht nicht länger erkennen konnte. Tief unten konnte er gerade noch, wie am Grunde eines Brunnens, das Schimmern von Wasser wahrnehmen; das mußte, schien ihm, eine landumschlossene Bucht der Insel sein. Rundherum ragten auf beiden Seiten mächtige Bäume empor, ein regelrechter Wald, dessen Zwischenräume frei von den Schlinggewächsen und dem Dschungelgestrüpp des Festlandes waren. Als er hochblickte, frischte der Nachtwind auf, und das Blätterrascheln wurde lauter und höher, es klang wie ein wiederholtes Drängen – »Jess, jess!«, gefolgt von einem schmachtenden »Schau!-Sschau!«. Zusammen mit diesem Geräusch kam noch ein anderes, gleichfalls klar und andauernd, aber ohne Tonänderung, leiser und ein wenig rauschend. Er lauschte und erkannte es als das Rieseln und Tropfen von Wasser, das ebenso wie das Blätterrascheln die Luft erfüllte. Woher mochte es kommen? Er blickte sich um.
    Sie standen nahe dem einen Ende der obersten Terrasse. In einiger Entfernung kam ein seichter Strom – vielleicht aus der Schlucht, die er zuvor überquert hatte – leise plätschernd vom Hügel herab und floß über die Terrasse. Dort verteilte er sich, wahrscheinlich

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