Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
Vom Netzwerk:
ging er eine Weile in schnellem Tempo auf dem schmalen, überwucherten Weg. Höchstwahrscheinlich, meinte er, würden ihn nach Öffnung des Tors und der Furt einige verfolgen, in der Hoffnung, ihn einzuholen und zu töten. Er wußte zwar nur zu gut, daß er wahrscheinlich in diesem Land sterben müßte, und verspürte wenig Lust, sein Leben zu retten, war aber entschlossen, es nicht durch Leute aus Yeldashay oder andere Feinde Shardiks zu verlieren. Nach einer Stunde kam er zu einer Stelle, wo ein sogar noch wilderer Pfad links nach Norden abzweigte; diesem folgte er und arbeitete sich eine Zeitlang mühsam durch das Unterholz, um auf dem Pfad selbst keine Spuren zu hinterlassen.
    Schließlich setzte er sich gegen Mittag, da er seit der Überquerung des Vrakos niemanden gehört oder gesehen hatte, an das Ufer eines Baches und überlegte, nachdem er gegessen hatte, was er nun tun sollte. Unter all seinen Gedanken lag, gleich einem überschwemmten Fels in einem brodelnden Teich, die Überzeugung, daß er eine geheimnisvolle, aber dennoch wirkliche seelische Grenze überschritten hatte, über die er nie wieder zurückkehren konnte. Was bedeutete das Abenteuer bei den Streels von Urtah, bei dessen Erwähnung die Schäfer von solcher Scheu und Furcht erfaßt wurden? Was war ihm in seiner Ahnungslosigkeit auf dem Schlachtfeld zugestoßen, als er, der Gnade ungerächter Toter ausgeliefert, dort gelegen hatte? Und warum hatte Elleroth das Leben eines Mannes geschont, dessen Regierung den Verlust seines Sohnes verschuldet hatte? Als er über diese unerklärlichen Vorfälle nachdachte, erkannte er, daß sie Kraft und Glauben, die im Herzen des Priesterkönigs von Bekla glühten, ausgelöscht hatten. Er fühlte nun, daß er kaum mehr war als ein Geist, etwas völlig Verbrauchtes in einem durch Entbehrung zerrütteten Körper.
    Am tiefsten getroffen hatte ihn Elleroths Nachricht über Shardik. Shardik hatte den Vrako überschritten, und man glaubte, er sei dem Tode nahe – daran konnte es keinen Zweifel geben. Und wenn ihm, Kelderek, sein Leben noch im geringsten lieb war, wäre es am besten, das hinzunehmen. Shardik in einem solchen Land zu suchen, würde so schlimme Gefahren und Entbehrungen mit sich bringen, daß er ihnen weder geistig noch körperlich gewachsen sein konnte. Entweder würde er ermordet werden oder in den Wäldern auf den Hügeln sterben. Shardik lebend oder tot wiederzuerlangen, war unmöglich; und er selbst mußte, um die geringste Aussicht auf Überleben zu haben, nach Süden gehen, sich irgendwie ins nördliche Toniida durchschlagen und dann die ortelganische Armee erreichen.
    Doch eine Stunde später stieg er wieder nordwärts und hielt sich, ohne den Versuch, sich zu verbergen oder zu schützen, an den Pfad, der sich zu den unteren Hügeln schlängelte. Elleroth hatte ihn nur zu richtig eingeschätzt, dachte er bitter. »Ich gebe dir mein Wort, weder er noch der Bär können uns jetzt etwas zuleide tun.« Nein, tatsächlich, denn er war Shardiks Priester und sonst nichts. Aus Furcht vor Ta-Kominions Verachtung und von ihm beeinflußt, hatte er geglaubt, es müsse Gottes Wille sein, daß Shardik Bekla erobere, hatte dabeigestanden, als die Tuginda gefesselt und wie eine Verbrecherin fortgeführt wurde, und hatte sich dann selbst als Vermittler von Shardiks Gunst für sein Volk eingesetzt. Ohne Shardik wäre er nichts – ein in der Trockenheit murmelnder Regenmacher, ein Zauberer, dessen Zauber versagt hatte. Zu Zelda und Ged-la-Dan mit der Nachricht zurückzukehren (wenn sie nicht schon davon wußten), daß Elleroth bei der Armee von Yeldashay und Shardik für immer verloren war, hieße für ihn, das eigene Todesurteil zu unterschreiben. Sie würden kaum einen Tag verlieren, um ein solches Symbol der Niederlage loszuwerden. Das wußte Elleroth. Er wußte aber noch mehr. Er hatte begriffen – was so mancher Feind nicht konnte –, wie leidenschaftlich Keldereks Treue zu Shardik und wie rein sein Glaube an ihn war. Wie ein erfahrener, wenngleich privat für die persönlichen Werte und Ansichten eines Dieners nur Verachtung empfindender Herr dennoch erkennen kann, daß dieser Diener echtes Gefühl besitzt und vielleicht der Tapferkeit und Selbstverleugnung fähig ist, so hatte Elleroth, der Shardik haßte, gewußt, daß Kelderek, auch wenn ihn das Schicksal mit Hoffnungsstrahlen verlockte, außerstande wäre, sein Los von dem des Bären zu trennen. Und da er auch wußte – oder zu wissen glaubte, meinte

Weitere Kostenlose Bücher