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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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Kelderek mit einer plötzlichen Anwandlung verzweifelten Trotzes –, daß Shardik sterben müsse, hatte er deshalb nichts Gefährliches darin gesehen, das Leben des Priesterkönigs zu schonen. Warum aber war er so weit gegangen, seinen diesbezüglichen Willen seiner Umgebung aufzuzwingen? War es möglich, fragte sich Kelderek, daß er selbst durch ein Leuten wie Elleroth wahrnehmbares Zeichen kenntlich gemacht war, daß er verdammt, daß er durch verdiente Leiden zu einer letzten Unverletzbarkeit gelangt war, in der er nun bleiben und Gottes Strafe erwarten mußte? Bei diesem Gedanken seufzte er, als er sich langsam durch die Einsamkeit weiterschleppte, und murrte unter der Last seines Elends gegen die ganze Welt wie eine irre alte Frau in einer verlassenen Stadt mit einem toten Kind in den Armen.
    Er hatte sogar in diesem notorischen Niemandsland keine so völlige Leere erwartet. Den ganzen Tag war er keiner Seele begegnet, hatte keine Stimme gehört, keinen Rauch gesehen. Als der Nachmittag in den Abend überging, wurde ihm klar, daß er die Nacht obdachlos verbringen müßte. In früherer Zeit, als Jäger, hatte er manchmal im Wald übernachtet, doch selten allein und niemals ohne Feuer oder Waffen. Ihn ohne auch nur ein Messer über den Vrako zu schicken und ohne die Möglichkeit, ein Feuer zu machen – war das vielleicht letzten Endes bloß als eine besonders grausame Art gedacht, ihn zu töten? Und Shardik – den er nie finden würde –, war Shardik schon tot? Er saß mit dem Kopf in den Händen dort und geriet in einen Zustand wachen Vergessens; es war kein Schlaf, sondern die Erschöpfung eines Bewußtseins, das keine Gedanken mehr zu fassen vermochte, das davonglitt und schlitterte wie Räder im regennassen Schlamm.
    Als er endlich den Kopf hob, erblickte er unter den Büschen sogleich einen so vertrauten Gegenstand, daß er, obwohl er sorgfältig versteckt war, sich wunderte, daß er ihn nicht schon vorher bemerkt hatte. Es war eine Falle – eine hölzerne Prügelfalle, wie er sie selbst in früherer Zeit öfter ausgelegt hatte. Sie war mit Aas und trockenen Früchten als Köder versehen, aber die waren unberührt, und der Prügel ruhte noch auf dem Auslösepflock.
    Es fehlten nur noch zwei Stunden bis zum Einbruch der Nacht, und wenn man Fallen über Nacht unbesichtigt läßt, das wußte er genau, findet man sie am nächsten Tag oft von Aasfressern heimgesucht. Er beseitigte seine Fußspuren mit einem abgebrochenen Zweig, kletterte auf einen Baum und wartete.
    Es war noch keine Stunde vergangen, da hörte er herankommende Schritte; der Mann wurde sichtbar, er war dunkelhaarig, untersetzt und struppig, seine Kleidung bestand teils aus Fellen, teils aus alten, abgerissenen Klamotten. In seinem Gürtel steckten ein Messer und einige Pfeile, und er trug einen Bogen. Er bückte sich, betrachtete die Falle unter dem Gebüsch und wollte sich schon wieder abwenden, als Kelderek ihn anrief. Er fuhr zusammen, zog blitzschnell sein Messer und verschwand im Unterholz. Kelderek erkannte, daß er, wenn er ihn nicht verlieren wollte, etwas riskieren mußte. Er kletterte zum Boden hinunter und rief: »Bitte geh nicht fort! Ich brauche Hilfe.«
    »Was brauchst du also?« fragte der Mann, der zwischen den Bäumen unsichtbar blieb.
    »Unterkunft – und auch Rat. Ich bin ein Flüchtling, verbannt – was du willst. Ich bin in Nöten.«
    »Wer ist das nicht? Schließlich befindest du dich diesseits des Vrakos, nicht wahr?«
    »Ich bin unbewaffnet. Sieh doch selbst.« Er warf das Bündel hin, hob die Arme und drehte sich nach allen Seiten.
    »Unbewaffnet? Dann bist du wahnsinnig.« Der Mann trat unter den Büschen hervor und kam auf ihn zu. Er war wirklich ein roher Bursche von furchterregendem Aussehen, dunkelhäutig, mit finsterem Blick, gelblich triefenden Augen und einer Narbe vom Mund bis zum Hals, die Kelderek an Bel-ka-Trazet erinnerte.
    »Ich bin nicht in der Verfassung, Streiche zu spielen oder mit dir zu feilschen«, sagte Kelderek. »Das Bündel enthält Proviant, sonst nichts. Nimm es und laß mich heute nacht bei dir schlafen.«
    Der Mann nahm das Bündel, öffnete und untersuchte es, gab es Kelderek zurück und nickte. Dann machte er kehrt und entfernte sich in die Richtung, aus der er gekommen war. Nach einer Weile sagte er: »Ist niemand hinter dir her?«
    »Seit dem Vrako nicht.«
    Sie gingen schweigend weiter. Kelderek wunderte sich über den völligen Mangel freundlicher Neugier, die gewöhnlich bei

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