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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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»Shardik, unser Herr, ist dem Tode nah.« Er nickte kurz, hob die Hand an seine Stirn, machte kehrt und folgte den beiden Frauen die steile Böschung hinunter.
    Die Tuginda und ihre Begleiterin hatten den Grund der Höhlung erreicht und gingen rasch, ebensowenig zögernd, wie die Frauen mit den Laternen durch das Feuer geschritten waren; und da Kelderek es für besser erachtete, nicht zu springen oder zu laufen, um den Bären nicht zu erschrecken, holte er sie erst ein, als sie diesseits vom Weiher anhielten. Das Gras am Boden war feucht, und er nahm an, daß es von derselben unterirdischen Quelle berieselt wurde, die auch den Weiher füllte und das Wasser für den Bach auf dem offenen Abhang dahinter lieferte.
    Der knietiefe Teich war vielleicht ein wenig zu breit, als daß ein Mann ihn überspringen konnte, und auf der gegenüberliegenden Seite war er von roten Trichterblüten eingefaßt, die unter ihren Massen von fingerförmigen, haarigen Blättern halb versteckt waren. Es stank nach Schmutz und Krankheit, und die Fliegen summten. Der Bär hatte sich nicht gerührt, und sie konnten seinen schweren Atem hören – er klang stumpf, ungesund. Die Schnauze war trocken, der Pelz gesträubt und glanzlos. Unter dem halb geschlossenen Lid des einen Auges war ein Schimmer von blutunterlaufenem Weiß zu erkennen. In der Nähe wirkte die Größe des Tieres überwältigend. Seine Schulter überragte Kelderek wie eine Wand, hinter der er nur den Himmel sehen konnte. Als er unsicher dort stand, hob der Bär, ohne die Augen zu öffnen, für einen Moment den Kopf, dann ließ er ihn müde wieder sinken, ähnlich wie ein schwerkranker Mann sich heftig bewegt, Erleichterung sucht, dann aber in der Bewegung nur Elend und Hilflosigkeit findet und aufgibt.
    Ohne an eine Gefahr zu denken, machte Kelderek plätschernd ein halbes Dutzend Schritte durch den Teich, riß das Tuch von seiner verwundeten Schulter, benetzte es, hielt es an die Schnauze des Bären und befeuchtete dessen Zunge und Lippen. Die Kiefer bewegten sich krampfhaft, und da er sah, daß das mächtige Tier den Stoff zu kauen versuchte, tränkte er es nochmals und preßte seitlich Wasser in sein Maul.
    Die Tuginda beugte sich über die Flanke des Bären, mit einem grünen Farnwedel in einer Hand, offenbar untersuchte sie eine der Wunden, nachdem sie die Fliegen davon verscheucht hatte. Dann begann sie, den Pelz abzusuchen, bald teilte sie ihn mit den Fingern, bald benutzte sie den Farnstengel als Sonde; Kelderek konnte sich denken, daß sie Fliegeneier und Würmer entfernte, aber ihre Miene zeigte keinen Abscheu, nur die gleiche Sorgfalt und Behutsamkeit, die er bemerkt hatte, als sie seine eigene Schulter behandelte.
    Nach einiger Zeit machte sie eine Pause und winkte ihm; er stand noch in dem Teich, kletterte die Böschung empor, wobei die hohlen Trepsishalme unter seinen Füßen mit einem leisen »Nop, nop« brachen. Beim Tasten nach einem Halt faßte er einen Augenblick unabsichtlich die gebogenen Klauen einer Hintertatze, die so lang wie seine Hand und so dick wie sein Finger waren. Er kam nach oben, blieb neben Sheldra stehen und blickte auf den Bären nieder.
    Shardiks Bauch und Flanken wiesen lange versengte, schwarz oder schmutziggrau gefärbte Streifen auf, als wären sie mit einer brennenden Fackel oder einer glühenden Eisenstange eingebrannt worden. An mehreren Stellen war der vier Finger dicke Pelz völlig verbrannt, und auf dem bloßen, ausgedörrten und gefurchten wilden Fleisch zeigten sich Risse und offene Wunden. Da und dort hing ein Häufchen Schmeißfliegeneier oder ein Wurm, den die Tuginda übersehen hatte. Mehrere Wunden waren faul, sie sonderten eine grünlich glänzende Substanz aus, die das zottige Haar verfärbte und zu steifen, trockenen Spitzen zusammenklebte. Eine breiige Masse aus gelbem, verwelktem Trepsis zeigte, daß das hilflose Geschöpf dort uriniert hatte, wo es lag. Zweifellos, dachte Kelderek, waren seine Hinterbacken auch eitrig und voller Würmer. Aber der Jäger fühlte keinen Ekel – nur Mitleid und die Entschlossenheit, seinen Teil bei der Lebensrettung Shardiks beizutragen.
    »Es bleibt noch viel zu tun«, sagte die Tuginda, »wenn er nicht sterben soll. Wir müssen schnell handeln. Ich gehe jetzt zurück, spreche mit dem Baron und sage der Priesterin, was wir brauchen.«
    Auf dem Weg zum Grubenrand sagte sie zu Kelderek: »Fasse Mut, wackerer Jäger. Du warst so geschickt, ihn zu finden, und Gott wird uns die

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