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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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wandte sich um, lief durch die Lichtung zurück, bahnte sich lärmend den Weg durch den Unterholzgürtel und rannte weiter zwischen den Bäumen zu der Stelle, wo der Baron ihn verlassen hatte. Plötzlich fühlte er, wie er strauchelte, und fiel betäubt und nach Luft ringend der Länge nach hin. Schwer atmend wälzte er sich zur Seite, das Flimmern vor seinen Augen klärte sich, und er sah Bel-ka-Trazets Gesicht vor sich, schief wie eine tropfende Kerze mit dem ihn anstarrenden Auge als Flamme.
    »Was gibt’s?« fragte der verzerrte Mund. »Warum läufst du umher und machst einen Lärm wie eine Ziege in einem Marktgehege?«
    »… Gestolpert… Herr…« keuchte Kelderek.
    »Ich habe dir ein Bein gestellt, du ängstlicher Narr! Hast du den Bären zu uns geführt? Schnell, Mann, wo ist er?«
    Kelderek erhob sich. Sein Gesicht war zerkratzt, und er hatte sich das Knie gezerrt, aber der verwundeten Schulter war zum Glück nichts geschehen.
    »Ich bin nicht vor dem Bären davongelaufen, Herr. Ich habe ihn gefunden – ich habe Shardik, unseren Herrn, gefunden: aber vielleicht hegt er im Todesschlaf. Wo ist die Tuginda?«
    »Hier bin ich«, sagte sie hinter ihm. »Wie weit ist es zu ihm, Kelderek?«
    »In der Nähe, Saiyett – er ist verwundet und sehr krank, soweit ich es beurteilen kann. Er muß sich über einen Tag lang nicht bewegt haben. Er wird sterben…«
    »Er wird nicht sterben«, antwortete die Tuginda lebhaft. »Wenn er wirklich Shardik, unser Herr, ist, wird er nicht sterben. Komm, führe uns hin.«
    Kelderek blieb am Rand der Grube stehen und wies schweigend nach unten. Sooft einer seiner vier Begleiter an den Rand kam, betrachtete er ihn genau. Bel-ka-Trazet fuhr unwillkürlich zusammen, und dann – so schien es wenigstens – wandte er seinen Blick ab, als fürchte er sich tatsächlich vor dem, was er sah. Wenn es Furcht war, faßte er sich alsbald und kauerte sich, wie Kelderek, hinter die schützenden Gewächse, von wo aus er mit intensivem, aufmerksamem Blick in die Grube starrte, wie ein Steuermann das bewegte Wasser vor sich absucht.
    Melathys warf kaum einen Blick nach unten, dann hob sie ihre Hände an ihre blutleeren Wangen und schloß die Augen. Sie machte kehrt und sank in die Knie, wie von einer schrecklichen Nachricht ins Herz getroffen.
    Sheldra und die Tuginda blieben am Rand stehen. Sie schienen nicht sehr erschrocken und machten keinen Versuch, sich zu verstecken. Das Mädchen war ein wenig links hinter ihrer Herrin mit gespreizten Beinen, das Gewicht auf den Fersen, gelassen stehen geblieben, ihre Arme hingen lose an ihren Seiten. Das war gewiß nicht die Haltung einer Frau, die Angst hat. Sie blieb eine Weile regungslos stehen, dann hob sie den Kopf, als erinnerte sie sich an ihre Pflicht, blickte auf die Tuginda und wartete.
    Die Hände der Tuginda waren in Taillenhöhe gefaltet, und ihre Schultern hoben und senkten sich langsam bei jedem Atemzug. Ihre Haltung machte den seltsamen Eindruck der Schwerelosigkeit, als stünde sie tatsächlich im Begriff, in die Grube zu schweben. Die Stellung des Kopfes war wachsam wie bei einem Vogel; doch trotz all ihrer lebhaften Spannung schien sie ebensowenig erschreckt wie die hinter ihr stehende Dienerin.
    Bel-ka-Trazet erhob sich, die Tuginda wandte sich um und blickte ihn lange und ernst an. Kelderek erinnerte sich wieder, wie Melathys vor zwei Tagen in die Gesichter der Männer gestarrt hatte, die mühsam den Weg zum Oberen Tempel hinaufkamen; und wie er selbst gewissermaßen erkannt und ausgewählt worden war. Kein Zweifel, auch die Tuginda besaß die Fähigkeit zu erkennen, ohne Fragen zu stellen.
    Nach einer kleinen Weile wandte sich die Tuginda von Bel-ka-Trazet ab und fragte ruhig: »Sheldra, du siehst wohl, daß es Shardik, unser Herr, ist?«
    »Es ist Shardik, unser Herr, Saiyett«, sagte das Mädchen im gleichmäßigen Tonfall einer liturgischen Antwort.
    »Ich gehe hinunter und wünsche, daß du mit mir kommst«, sagte die Tuginda.
    Die zwei Frauen waren schon einige Meter hinabgestiegen, als Kelderek zu sich kam und ihnen folgen wollte. Da faßte ihn Bel-ka-Trazet am Arm.
    »Sei kein Narr, Kelderek«, sagte er. »Sie werden getötet. Und selbst wenn sie nicht sterben, braucht dieser Unsinn dich nicht zu kümmern.«
    Kelderek starrte ihn verdutzt an. Dann antwortete er, gewiß ohne Verachtung für den grauen, arg mitgenommenen Kämpfer, aber mit dem neuen und ungewohnten Bewußtsein, über dessen Autorität hinausgewachsen zu sein:

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