Shardik
ihnen. Der Kessel fiel mit einem Krach auf die Steine, und einen Augenblick lang starrten sie Shardik in groteskem Entsetzen an. Dann machten sie laut schreiend kehrt und rannten davon. Der eine verschwand auf dem Weg, den sie gekommen waren. Der andere lief, blind vor Angst, gegen die Hüttenwand, stieß sich den Kopf und blieb betäubt und schwankend stehen. Shardik war ihm gefolgt, richtete sich auf und schlug ihn nieder. Der Hieb schleuderte den armen Teufel durch das mit Lehm beworfene Flechtwerk der Hüttenwand, in die er eine zackige Öffnung riß. Shardik schlug ein zweitesmal zu, die Wand brach zusammen, und ein Teil des Daches stürzte ein. Die Luft war von Staub und von dem Rauch des unter den Trümmern begrabenen frisch entzündeten Herdfeuers erfüllt. Frauen kreischten, Männer liefen schreiend umher. Plötzlich tauchte ein untersetzter Mann in einer Lederschürze mit einem Hammer in der Hand durch den Dunst auf, starrte einen Augenblick wie versteinert und verschwand wieder. Über dem ganzen Tumult erhob sich das dumpfe Knurren Shardiks, es klang, wie wenn schweres Gestein über einen Abhang rollt.
Kelderek beobachtete die Szene von der Stelle aus, wo er hingefallen war, und sah den Bären in Rauch und Verwirrung davontrotten. Plötzlich spürte er Hände unter seinen Achseln, und eine Stimme rief ihm ins Ohr:
»Auf, Kelderek, steh auf, Mann! Es ist keine Zeit zu verlieren! Folge mir!«
Ta-Kominion stand neben ihm, Wasser floß aus seinem langen Haar, als er Kelderek auf die Knie half. In der linken Hand hielt er einen langen, spitzen Dolch.
»Los, Mann! Hast du eine Waffe?«
»Nur das.« Er zog Sheldras Messer.
»Das wird genügen! Du kannst dir bald etwas Besseres verschaffen.«
Sie stürzten vorwärts, rund um die brennenden Trümmer. Auf der anderen Seite lag die Leiche eines Mannes, sein Rückgrat sah aus wie ein zerbrochener Bogen. Dahinter zog der Bär unter den Trümmern einer zweiten Hütte den Rumpf eines geschlachteten Schafs hervor. In einiger Entfernung standen vier oder fünf Männer, die fliehen wollten; sie starrten über ihre Schultern zurück.
Ta-Kominion sprang auf einen Holzstoß und schrie: »Shardik! Shardik, unser Herr, ist gekommen!« Rund um ihn breitete sich der Tumult weiter aus, die ganze Stadt erwachte durch den Alarm. Es war klar, daß es Menschen gab, die auf seine Wiederkehr gewartet hatten. Schon sammelten sich Männer um ihn, manche bereits bewaffnet, andere kamen noch halb nackt aus ihren Betten, mit Spießen, Äxten, Keulen, was immer ihnen in die Hände gefallen war.
Ta-Kominion, der das Ende einer brennenden Dachsparre hinter sich hergezogen hatte, schwang es über dem Kopf. Die zweite Hütte hatte Feuer gefangen, und der Rauch begann das Sonnenlicht zu verdunkeln. Als die Hitze und der Lärm zunahmen, wurde Shardik von dem Schafsrumpf aufgestört und wurde unruhig. Während er seinen Hunger stillte, sah er sich zuerst geringschätzig in der fremden Umgebung um und kauerte sich dann wie eine Katze nieder, riß Stücke des blutigen Fleisches ab und kaute daran. Als die schwärzliche Luft allmählich wich und Asche in Richtung zum Fluß geweht wurde, erschrak er und knurrte und schlug nach einem Funken, der auf sein Ohr fiel. Als dann der Mittelpfosten der zweiten Hütte mit einem Krach wie ein gefällter Baum der Länge nach umfiel, setzte er sich, ohne die Schafskeule aus dem Maul zu lassen, uferwärts in Bewegung.
Ta-Kominion war jetzt von der schreienden Menge umringt, er zeigte mit seinem Dolch hinüber und erhob seine Stimme über das Getöse: »Nun habt ihr es selbst gesehen! Shardik, unser Herr, ist zu seinem Volk zurückgekehrt! Folgt mir zum Kampf für Shardik!«
»Er geht fort!« rief eine Stimme.
»Fort? Natürlich geht er fort!« schrie Ta-Kominion. »Er geht dorthin, wohin wir ihm folgen werden – nach Bekla! Er weiß, daß Ortelga für ihn schon so gut wie erobert ist! Er versucht, euch zu erklären, daß es keine Zeit zu verlieren gilt! Folgt mir!«
»Shardik! Shardik!« schrie die Menge. Ta-Kominion führte sie im Laufschritt zum Sindrad. Kelderek hörte, wie das Schreien zum Gebrüll wurde. Neuer Rauch stieg hoch, gefolgt von unverkennbarem Kampflärm – Befehle, Aufeinanderschlagen von Waffen, Flüche und Schreie von Verwundeten. Kelderek ergriff ein kräftiges, an einem Holzstoß lehnendes Geflecht und begann, es als Schild an seinem linken Arm zu befestigen; das war eine schwierige, unangenehme Arbeit, zu der er sich hinkniete und
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