Shardik
Verwundung schwer?«
»Das ist nicht wichtig. Andere hatten mehr Glück – andere, die keine Angst haben werden, wieder zu kämpfen.«
»Wie lange hat der Kampf gedauert?«
»Ich weiß nicht. Länger als du brauchtest, um über den Dammweg zu kommen, möchte ich sagen.«
Er zog einen Splitter aus dem Stamm. Ein Windstoß blies ihm den Rauch ins Gesicht, aber er kümmerte sich nicht darum. Kelderek stocherte im Feuer und trat von einem Fuß auf den anderen. Endlich sagte er: »Die meisten Sachen der Tuginda sind noch auf der anderen Seite. Die Frauen ließen sie heute dort liegen, als sie uns über den Fluß folgten.«
Wieder herrschte Schweigen.
»Es wundert mich«, sagte Kelderek, »daß Shardik, unser Herr, gestern nacht trotz seines Hungers nicht durch den Wald gehen wollte. Er muß die Witterung von Futter aus Ortelga bekommen haben, dennoch wandte er sich vom Todesgürtel ab und ging in den Fluß.«
Ta-Kominion schüttelte den Kopf, als interessiere ihn das wenig.
»Was geschah mit Bel-ka-Trazet?« fragte Kelderek.
»Ach, der ist ins Wasser gegangen wie du; nicht ganz so rasch.«
Kelderek holte tief Atem und ballte die Faust um die Stange. Nach einer Weile fragte er:
»Wohin hat er sich gewandt?«
» Stromabwärts.«
»Hast du die Absicht, ihn zu verfolgen?«
»Das ist unnötig. Er jedenfalls ist kein Feigling, aber für uns kann er jetzt nicht gefährlicher werden, als wenn er einer wäre.« Er blickte auf. »Wo ist Shardik, unser Herr?«
»Dort drüben, nicht weit von der Straße. Er kam heute nachmittag zu der Straße, ging aber dann zurück in den Wald. Ich blieb bis zum Mondaufgang bei ihm, kehrte aber dann zurück, um dich zu treffen.«
»Welche Straße?«
»Die Straße nach Gelt. Wir sind hier nicht weit von ihr entfernt.«
Ta-Kominion erhob sich, stellte sich breitbeinig vor Kelderek und blickte ihm ins Gesicht. Er stand mit dem Rücken zum Feuer und sah mit seinem langen, in sein Gesicht fallenden Haar aus, als trüge er eine Maske mit starken Schatten, aus der seine Augen kalt und scharf hervorglühten. Ohne den Kopf zu drehen, sagte er: »Du darfst uns allein lassen, Numiss.«
»Aber wohin sollen wir gehen, Herr?«
Ta-Kominion antwortete nicht, und nach einiger Zeit verschwand der rothaarige Bursche mit seinem Gefährten zwischen den Bäumen. Bevor Ta-Kominion etwas sagen konnte, platzte Kelderek heraus:
»Mein Platz ist bei Shardik, unserem Herrn, um ihm zu folgen und zu dienen! Das ist meine Aufgabe! Ich bin kein Feigling!«
»Ich habe nicht gesagt, daß du einer bist.«
»Ich ging neben Shardik, unserem Herrn, schlief neben ihm, hielt meine Hände über ihm. Tut das ein Feigling?«
Ta-Kominion schloß die Augen und strich mehrmals mit der Hand über seine Stirn.
»Ich bin nicht hierhergekommen, Kelderek, um dich zu beschuldigen oder mit dir zu streiten. Ich habe wichtigere Dinge zu besprechen.«
»Du hältst mich für einen Feigling. Das hast du beinahe gesagt!«
»Was mir entschlüpft sein mag, hat nichts mit unseren jetzigen Angelegenheiten zu tun. Schlag dir solche privaten Gedanken aus dem Kopf. Jeder Mann in Ortelga, der eine Waffe zu führen versteht, hat den Telthearna überschritten und ist bereit, gegen Bekla zu marschieren. Sie werden bald losziehen – noch vor Tagesanbruch. Ich werde mich ihnen von hier aus anschließen – ich brauche nicht ins Lager zurückzugehen. In fünf Tagen – vielleicht früher – werden wir in Bekla sein. Wir brauchen nicht bloß das Überraschungsmoment. Wir haben nur für drei Tage Proviant, aber auch das ist noch nicht alles. Unsere Männer müssen Bekla einnehmen, bevor sie die Kraft verlieren, die in ihren Herzen glüht. Was glaubst du, wessen Kraft das ist?«
»O Herr?« entfuhr es Kelderek, bevor er sich zurückhalten konnte.
»Ortelga wurde heute durch Shardiks Macht genommen. Wir hatten Glück – es gab viele Männer, die ihn sahen, bevor er den Dammweg überschritt. Bel-ka-Trazet wurde verjagt, weil er als Shardiks Feind bekannt war. Die Leute haben selbst gesehen, daß Shardik zurückgekehrt ist. Sie glauben, es gibt nichts, was er ihnen nicht geben wird – nichts, das sie in seinem Namen nicht schaffen können.«
Er machte ein paar unsichere Schritte zurück zu dem Baumstamm, setzte sich steif hin und zog die Stirn in Falten, um einen plötzlichen Schwindelanfall abzuwehren. Einen Augenblick lang klapperte er mit den Zähnen und drückte sein Kinn gegen die offene Hand.
»Shardik wurde gesandt, um uns, Bauern und
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