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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Haus.
    Ich las die Morgenzeitung. Anders als Sharons Tod, behandelte man die Kruse-Morde als ernsthafte Nachrichten - eine Titelzeile DOKTOR UND GATTIN ERMORDET AUFGEFUNDEN lief oben über die ganze dritte Seite. Darunter stand der Name eines Redaktionsmitarbeiters, Dale Conrad, den ich kannte, weil er mal - ziemlich schludrig, wie ich meinte - Storys aus der Verhaltenspsychologie gebracht hatte.
    Das Stück über Kruse war keine Ausnahme. Trotz der vielen Spalten und Zeilen hatte Conrad nichts über die Morde gebracht, was nicht schon in den Abendnachrichten vom Vortag gewesen war. Zum größten Teil behandelte der Artikel Kruses Biografie. Er war zum Zeitpunkt des Todes sechzig Jahre alt gewesen, doppelt so alt wie seine Frau - die der Artikel nur als »eine frühere Schauspielerin« beschrieb. Geboren war er in New York City, von Haus aus Geld. Als Offizier in Korea hatte er zu einer Einheit der psychologischen Kriegsführung gehört, seinen Doktor an einer Universität in Südflorida gemacht und sich mit Hilfe gesellschaftlicher Beziehungen und seiner Zeitungs-Ratgeberseite eine lukrative Praxis in Palm Beach aufgebaut, bevor er nach Kalifornien zog. Seine jüngste Beförderung zum Dekan wurde erwähnt und sein Vorgänger, Professor Milton Frazier, mit den Worten zitiert, er sei entsetzt über den sinnlosen Tod eines geschätzten Kollegen.
    Der Tod von Lourdes Escobar kam im allerletzten Absatz: »Ebenfalls gefunden wurde der Leichnam der Haushälterin …«
    Ich legte die Zeitung hin. New York, geerbtes Geld, gesellschaftliche Beziehungen, das alles erinnerte mich an die erlogene Lebensgeschichte von Sharon.
    Hatte sie sie von Anfang bis Ende erfunden? Gescheiterte Starmutter oder nicht, sie hatte wie ein reiches Mädchen gelebt - die Kleidung, der Wagen, das Haus. Vielleicht war die Vorstellung des Callgirls in Erfüllung gegangen.
    Oder vielleicht hatte sie es auf eine andere Weise erlangt. Der Tochter eine ganze Canyonseite vermacht, die früher dem Milliardär gehört hatte, der sie beschäftigte. Die immer noch der Corporation des Milliardärs gehörte und gleich am Tag nach Sharons Tod auf den Markt kam.
    Zu viele Fragen. Ich bekam Kopfschmerzen.
    Ich zog mich an, fand einen Notizblock und ein paar Stifte und verließ das Haus. Fuhr die Schlucht hinunter, überquerte den Sunset und betrat den Campus der Universität am Nordende. Es war zwanzig Minuten nach elf, als ich durch die Türen der Forschungsbibliothek trat.
    Ich ging sofort zur Nachschlageabteilung, spielte mit MELVYL, dem Computerindex, und fand zwei Bücher über Leland Belding im Bibliotheksbesitz.
    Das erste war ein Band von 1949 mit dem Titel Zehn Magnaten. Das zweite war Der amputierte Milliardär von Seaman Cross. Überrascht, weil ich gedacht hatte, alle Exemplare wären eingezogen worden, schrieb ich die Katalognummern auf und fing an, etwas über Lanier, Linda, zu suchen, fand nichts.
    Ich verließ den Computer und machte etwas »Lowtech«-Forschung. Zwei Stunden verbracht mit dem Durchblättern der Bände des Zeitschriftenindexes. Auch hier nichts über Linda Lanier, aber über hundert Artikel über Leland Belding, beginnend in der Mitte der Dreißiger- und bis in die mittleren Siebzigerjahre. Ich wählte aus, was ich für ein repräsentatives Dutzend Erwähnungen hielt, nahm den Fahrstuhl hinauf zum Hauptmagazin und fing an, die Quellen herauszusuchen. Um halb drei saß ich in einer Lesekabine im dritten Stock, umgeben von Stapeln gebundener Magazine.
    Die ersten Sachen über Belding fand ich in Zeitschriften aus dem Flugzeugbau, der Magnat war damals Anfang zwanzig. Belding wurde als technisches und finanzielles Wunderkind gefeiert, als meisterhafter Designer von Flugzeugen und Zubehör mit drei Patenten für jedes Jahr seines Lebens. Dasselbe Foto wurde in allen Artikeln verwendet. Es gehörte den L. Belding Industries: Der junge Erfinder sitzt im Cockpit eines seiner Flugzeuge, Fliegerbrille und Helm auf, seine Aufmerksamkeit gilt dem Instrumentenbrett. Ein hübscher Mann, aber mit einem kalten Gesichtsausdruck.
    Beldings enormer Reichtum, seine Frühreife, das jungenhafte, gute Aussehen und seine Schüchternheit machten ihn zu einem natürlichen Medienhelden, und der Ton der ersten populären Magazine klang nach Verehrung. Ein Artikel bezeichnete ihn als »beste Partie des Jahres 1937«. Ein anderer nannte ihn: das Beste, was Amerika je als etwaigen Kronprinzen hervorgebracht hat.
    Ein Bericht in Kollier’s fasste vor dem Krieg

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