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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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mich belogen hatte, dass mein ganzes Leben ein Betrug gewesen war - jeder Augenblick von Lügen gefärbt. Mir war schlecht, Alex. Kotzübel. Sterbensmies. Mein Magen kam hoch. Als ob mich das Foto packte - auffraß, wie das verdreckte Schwimmbecken Shirlee aufgefressen hatte. Ich drehte durch. Fühlte mich tagelang völlig ausgebrannt. Ich hing nur noch an einem Faden, als du kamst.
    Ich hatte dich nicht gehört, Alex. Erst als du über mir standest. Und du schienst wütend zu sein - du verurteiltest mich. Missbilligung. Als du das Foto vom Boden aufhobst und angucktest, war es, als griffest du mich an - als drängtest du dich in meinen privaten Schmerz hinein. Ich wollte den Schmerz, meinen Schmerz ganz für mich - wollte etwas ganz für mich. Ich bin einfach durchgedreht. Es tut mir so leid.«
    Ich erwiderte den Druck ihrer Hand. »Es ist okay.«
    »Die nächsten paar Wochen waren fürchterlich, ein Albtraum. Ich machte mir Sorgen, was ich getan hatte mit dir und mir, aber ehrlich gesagt, war ich innerlich zu leer, um irgendetwas dagegen zu tun, hatte ein viel zu schlechtes Gewissen - Schuldgefühle -, weil ich mich nicht dazu kriegen konnte, dass ich mir mehr Gedanken darüber machte. Ich hatte so viel am Hals. Meine Wut auf meine Eltern, weil sie mich belogen hatten, meinen Kummer, sie zu verlieren, meine Wut auf Shirlee, dass sie so beschädigt wiederkam und sie nicht auf meine Liebe reagieren konnte. Damals merkte ich es noch nicht, dass sie vibrierte und mit mir zu kommunizieren versuchte. So viele Veränderungen auf einmal, Alex. Wie ein Wirrwarr von kreuz und quer laufenden Drähten, die in meinem Gehirn brannten. Ich brauchte Hilfe.«
    »Kruse.«
    »Trotz dem, was du von ihm denkst, hat er mir geholfen, Alex. Er hat mir geholfen, dass ich wieder zu mir kam. Und er sagte mir, du würdest kommen und mich suchen, sodass ich erfuhr, dass dir etwas an mir lag. Mir lag sehr viel an dir, darum zwang ich mich schließlich, mit dir zusammenzugehen, obwohl Paul sagte, ich wäre noch nicht so weit. Und er hatte recht. Ich benahm mich wie eine Nymphomanin, weil ich mich wertlos fühlte, außer Kontrolle, ich hatte so ein Gefühl, dass ich dir was schuldete. Bei dem Sexgehampel meinte ich, ich hätte die Situation unter Kontrolle. Als ob ich aus meiner Person herausträte und eine neue übernähme. Aber nur für kurze Zeit. Später, während du schliefst, widerte mich an, was ich getan hatte, du widertest mich an. Ich lud meinen Ärger auf dir ab, weil du da warst.«
    Sie sah weg. »Und weil du gut warst. Ich habe ruiniert, was wir hatten, weil ich Güte nicht aushalten konnte, Alex. Ich fand nicht, dass ich Güte verdiente. Und nach all den Jahren bedauere ich das immer noch.«
    Ich saß da, versuchte, alles zu begreifen.
    Sie bewegte sich zu mir herüber und küsste mich. Allmählich nahm der Kuss an Hitze und Tiefe zu, und wir pressten uns aneinander, griffen nacheinander, unsere Zungen tanzten. Dann zogen wir uns beide voneinander zurück.
    »Sharon -«
    »Ja, ich weiß«, sagte sie. »Nicht schon wieder. Wann könntest du dich je in Sicherheit fühlen.«
    »Ich -«
    Sie legte einen Finger auf meine Lippen.
    »Du brauchst es mir nicht zu erklären, Alex. Es ist vorbei. Ich wollte dir nur zeigen, dass ich nicht ganz schlecht bin.«
    Ich blieb still, sagte nicht, was mir durch den Kopf ging. Dass wir vielleicht wieder von vorn anfangen könnten - langsam. Vorsichtig. Jetzt, da wir beide erwachsener geworden waren.
    Sie sagte: »Ich lasse dich jetzt gehen.«
    Wir fuhren jeder in seinem Wagen weg.
     
 
    Als ich aus Kruses Haus zurück war, saß ich im Dunkeln in meinem Wohnzimmer und überlegte. Park Avenue, Southampton-Sommer. Mami und Daddy. Meistens im Sonnenzimmer. Feine-Familie-Ausschneidespiel.
    Nur ein hässlicher, kleiner Zelluloidfetzen sagte, dass Mami alles andere als fein gewesen war. Das Partymädchen eines reichen Mannes, das vor der Kamera geliebt und den Film dann wahrscheinlich für Erpressungszwecke benutzt hatte.
    … dass mein ganzes Leben ein Betrug gewesen war - jeder Augenblick von Lügen gefärbt.
    Ich dachte an Shirlee Ransom. Fragte mich, ob irgendwas an der Geschichte stimmte.
    Wenn sie ihre Zwillingsschwester liebte - wie konnte sie sich dann umbringen, einen hilflosen Krüppel verlassen?
    Es sei denn, Shirlee war auch tot.
    S und S, stille Partnerinnen.
    Ein Paar. Zwei kleine Mädchen, hübsch, mit schwarzem Haar. Berge im Hintergrund, Eiskegel in entgegengesetzten

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