Sharon: die Frau, die zweimal starb
wurde. Dann folgte jedoch etwas ganz anderes.
»Meine Schwester ist da«, sagte Jana verwundert. »Ein blödes Mauerblümchen in der Ecke da auf dem hässlichen Holzstuhl.«
Sharon: »Was ist das für ein Gefühl?«
»Eine wahnsinnige Angst. Männer lutschen an ihren Nippeln - nackt, haarig. Paviane - sie schwärmen über sie her, stecken Dinger in sie rein.«
Sharon: »Was für Dinger?«
»Ihre Dinger. Ihre schmutzigen, widerlichen Dinger. Sie tun ihr weh und lachen, und da ist die Kamera.«
Sharon: »Wo ist die Kamera?«
»Da, auf der anderen Seite des Raums. Ich bin - o nein, ich hab es. Ich will alles sehen; die Lichter sind alle an. Aber sie mag es nicht. Aber ich filme sie sowieso. Ich kann nicht aufhören.«
Als sie fortfuhr, die Szene zu beschreiben, zitterte und versagte Janas Stimme. Sie beschrieb J. mit den Worten: »Genauso als ob … sieht genau wie ich aus - nur unschuldiger. Sie war immer unschuldiger. Sie gehen wirklich an sie ran. Ich fühle …«
Sharon: »Was?«
»Nichts.«
Sharon: »Was hast du empfunden, Jana? Als du sahst, was mit deiner Schwester geschah?«
»Nichts.« Pause. »Schlecht.«
Sharon: »Sehr schlecht?«
»Ein … bisschen schlecht.« Wütender Ausdruck. »Aber es war ihr eigener Fehler! Man muss wissen, was man tut, vorher, stimmt’s? Sie hätte gehen sollen, wenn sie nicht mitspielen wollte, stimmt’s?«
Sharon: »Hatte sie die Wahl, Jana?«
Pause. »Was meinst du?«
Sharon: »Hat J. die Wahl gehabt, ob sie zu der Party gehen wollte oder nicht?«
Langes Schweigen.
Sharon: »Jana.«
»Ja. Ich habe dich gehört. Erst dacht ich: Ja, klar hat sie das! Jeder hat die Wahl. Dann …«
Sharon: »Was dann?«
»Ich weiß nicht - ich meine, ich kenne sie wirklich nicht. Ich meine: Wir sind genau gleich, aber an ihr ist etwas, was … ich weiß es nicht. Es ist so, als ob wir - ich weiß nicht - mehr als Schwestern sind. Ich weiß nicht, was das richtige Wort ist, vielleicht Teil - vergiss es.«
Pause.
Sharon: »Partnerinnen?«
Jana, jäh erregt: »Ich sagte: Vergiss es, genug von diesem Scheiß. Lass uns über was anderes reden, was Spaß macht, was ich bei der Party gemacht habe.«
Sharon: »Also gut, was hast du gemacht?«
Jana, erstaunt, nach einem langen Schweigen. »Ich weiß … nicht. Au, es war sowieso wahrscheinlich langweilig - jede Party, zu der sie geht, muss ja schlimm sein.«
Das war ein kleiner Durchbruch, den Sharon nicht gefährden wollte. Sie ließ Jana weiterreden, wartete, bis ihr ganzer Ärger heraus war, beendete dann die Sitzung, sicher, dass ein Durchbruch stattgefunden hatte. Zum ersten Mal seit mehr als drei Jahren hatte J. es den Zwillingen gestattet zu koexistieren und einen neuen möglichen Schlüssel geliefert: Das Wort Partnerinnen schien eine starke emotionale Ladung zu besitzen. Sharon beschloss, das weiterzuverfolgen, und brachte das Thema beim nächsten Mal auf, als sie J. hypnotisierte.
»Was war das, Doktor? Was haben Sie gesagt?«
Sharon: »Partnerinnen. Ich schlug vor, dass Sie und Jana etwas mehr als nur Schwestern sind. Oder auch Zwillinge: Vielleicht sind Sie Partnerinnen. Psychologische Partnerinnen.«
J. ist nachdenklich, still, fängt an zu lächeln.
Sharon: »Was ist so komisch?«
»Nichts. Ich glaube, Sie haben recht - oder meistens.«
Sharon: »Aber siehst du es ein?«
»Ich nehme an, ja. Obwohl, wenn sie meine Partnerin ist, ist sie wirklich eine sehr stille. Wir reden nie. Sie weigert sich, mit mir zu sprechen.« Pause. Ihr Lächeln wird breiter. »Stille Partner. Was ist denn unser Geschäft?«
»Das Geschäft des Lebens.«
J. amüsiert: »Ich glaube auch.«
Sharon: »Würdest du gern mehr darüber sprechen? Darüber, eine stille Partnerin zu sein?«
J.: »Ich weiß nicht. Ich glaube, ja … Vielleicht nicht. Nein. Sie ist so gemein und unangenehm, ich kann sie hier wirklich nicht gebrauchen. Wechseln wir das Thema, wenn’s Ihnen nichts ausmacht.«
J. kam nicht zur nächsten Sitzung, nicht zur übernächsten. Als sie schließlich wiederkam, zwei Monate später, schien sie sich besonnen zu haben. Sie behauptete, ihr Leben sei großartig und sie brauche nur eine Feineinstellung ihrer Psyche.
Sharon nahm die Hypnosetherapie wieder auf, setzte ihren Versuch, die »Zwillinge« zusammenzubringen, fort. Fünf weitere Monate Enttäuschung, während Sharon sich allmählich an den Gedanken zu gewöhnen begann, dass sie eine Versagerin war. Sie fragte sich, ob eine andere Therapeutin J.’s Bedürfnisse nicht
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