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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sie sei »lüstern auf Gedankenkontrolle. Du bist ja nur neidisch und eifersüchtig, weil ich so schön und sexy bin und du eine vertrocknete alte Schachtel.
    Du hast mir gar nichts Gutes getan, wie komme ich also dazu, mich dir auszuliefern?«
    J. stampfte aus der Praxis und rief, sie habe »diesen Scheiß satt« und würde sich »einen anderen Seelenklempner suchen«. Drei Tage später war sie wieder da, bis oben voll von Barbituraten, verlottert und von der Sonne verbrannt, kratzte sich die Haut ab und weinte, sie hätte »diesmal wirklich alles versaut« und war bereit, alles zu tun, damit der in ihrem Innern nagende Schmerz wegging.
    Sharon fing mit der Hypnosebehandlung an. J. war ein vorzügliches Subjekt - Hypnose ist ja an sich Dissoziation. Die Ergebnisse waren Aufsehen erregend, dramatisch - und fast sofort da.
    J. litt in der Tat an einem multiple personality syndrome. In der Trance tauchten zwei Identitäten auf: J. und Jana - eineiige Zwillinge in einem Körper sozusagen. Vollkommene Ebenbilder, aber psychologisch gegensätzlich gepolt.
    J. war wohlerzogen, eine gepflegte Erscheinung, Erfolgstyp, obwohl etwas zur Passivität neigend. Sie mochte andere Leute, und trotz der unerklärten Absencen auf Grund der Fugues gelang es ihr, Hervorragendes zu leisten in einem Beruf, der mit Menschen zu tun hat. Sie hatte »altmodische Auffassungen« über Sex und Romantik - glaubte an die wahre Liebe, Ehe und Familie, absolute Treue -, aber gab zu, mit einem Mann sexuell aktiv zu sein, an dem ihr sehr viel lag. Diese Beziehung aber war auf Grund des Eingreifens ihres anderen Ichs beendet worden.
    J. war zurückhaltend - Jana laut und ungezogen, bevorzugte gefärbte Punkperücken, Kleidung, »bei der man was von meiner Schönheit sieht«, und dicke, grelle Schminke. Fand nichts dabei, wenn jemand »sein Koks snifft und ab und zu mal’nen Downer einschmeißt«, und trank gern … Erdbeerdaiquiris. Sie gab an, »nur für den Augenblick da zu sein - so’ne total süße, schöne saftige Lucy, eingewickelt in geile Town-and-Country-Schnüre, was das, was drinnen ist, nur noch umso heißer macht«. Sie mochte sexuelle Promiskuität, erinnerte sich an eine Party, bei der sie Stimulanzmittel genommen und nacheinander in einer Nacht Verkehr mit zehn Männern gehabt hatte. Männer, lachte sie, waren Schwächlinge, Primitive. Affen. Von ihren Lüsten beherrscht. »Von denen kann ich so viele haben, wie ich will - wie meine Pussy will.«
    Kein »Zwilling« erkannte die Existenz des anderen an. Sharon sah, wie ihre Patientin gegen ein zweites Ego einen erbitterten Kampf führte. Und trotz Janas Neigungen zu spektakulären Auftritten schien es die anständige, wohlerzogene J. zu sein, die in diesem Wettstreit gewann.
    J. nahm etwa fünfundneunzig Prozent des Bewusstseins der Patientin ein, diente ihr in der Öffentlichkeit als Identität, trug ihren Namen. Aus den fünf Prozent, die Jana für sich in Anspruch nahm, stammten die Probleme, mit denen die Patientin zu tun hatte.
    Jana, so theoretisierte Sharon, tauchte immer in Zeiten hohen Stresses auf, wenn das Abwehrsystem der Patientin schwach war. Die Fugues waren kurze Perioden, in denen sie, Jana, tatsächlich »da war«. Sie tat dann Dinge, die J.’s Vorstellung von sich selbst als »vollkommener Lady« krass zuwiderliefen.
    Allmählich tauchte Jana in der Hypnose immer mehr auf und fing schließlich an zu beschreiben, was während der »verlorenen Stunden« geschah.
    Den Fugues ging ein heftiger Drang nach vollständiger körperlicher Flucht voraus. Ein fast sinnlicher Druck, »einen Satz zu machen, abzuhauen«. Impulsive Reisen folgten bald: Die Patientin setzte ihre Perücke auf, stieg in ihre »Partykleider«, sprang in ihren Wagen, los zum nächsten Freeway -, um dann manchmal ziellos, ohne Karte, Hunderte von Meilen zu fahren - »ich höre nicht mal Musik, nur das Summen meines eigenen heißen Blutes, das durch den Körper gepumpt wird«.
    Manchmal »brachte« sie der Wagen zum Flugplatz, wo sie mit der Kreditkarte einen Flug irgendwohin buchte. Zu anderen Zeiten fuhr sie mit dem Wagen über Land. In beiden Fällen endeten ihre Spritztouren gewöhnlich mit Ausschweifungen: ein Ausflug nach San Francisco, der seinen Höhepunkt in einer drei Tage langen Orgie - »Methsniffen und Gruppensex mit einem Haufen Rockern - im Golden Gate Park« fand. Pillenschmeißen in einer Disco in Manhattan, gefolgt von Heroinspritzen an einem Schießstand in der South Bronx. Orgien in

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