Sharon: die Frau, die zweimal starb
furchtbar.«
»Tut mir leid.«
»Wie hat sie’s getan?«
»Tabletten. Und ein Schuss in den Kopf.«
»O Gott. Das ergibt überhaupt keinen Sinn, dass jemand, der so schön und reich ist, so was tut. Den ganzen Tag fahre ich die Alten herum - sie schwinden so langsam dahin, verlieren die Fähigkeit, irgendwas für sich selbst tun zu können, aber sie klammern sich am Leben fest, nichts als Erinnerungen, was sie noch in Gang hält. Dann wirft jemand wie Dr. Ransom alles weg.«
Wir gingen weiter.
»Macht einfach keinen Sinn«, wiederholte er.
»Ich weiß«, sagte ich. »Ich dachte, Sie könnten mir helfen, etwas Sinn hineinzubekommen.«
»Ich? Wie?«
»Indem Sie mir sagen, was Sie von ihr wissen.«
»Was ich weiß«, sagte er, »ist nicht viel. Sie war eine feine Frau, ich fand, sie sah immer so glücklich aus, behandelte mich immer gut. Sie hing sehr an ihrer Schwester - das sieht man nicht so oft. Manche sind zuerst ganz nobel, haben ein schlechtes Gewissen, dass sie den geliebten Menschen weggeben, schwören bei Gott, dass sie ihn laufend besuchen und sich um alles kümmern werden. Aber nach’ner Zeit, wenn sie nichts zurückbekommen, werden sie’s müde und kommen immer seltener. Viele von ihnen verschwinden völlig. Aber nicht Dr. Ransom - sie war immer da für die arme Shirlee. Jede Woche, regelmäßig wie ein Uhrwerk, Mittwochnachmittags von zwei bis fünf. Manchmal zwei- oder dreimal die Woche. Und sie hat nicht nur dagesessen - sie hat sie gefüttert und zurechtgemacht und dem armen Mädchen ihre Liebe geschenkt und nichts zurückbekommen.«
»Hat Shirlee jemals anderen Besuch bekommen?« »Nicht einen einzigen, abgesehen von dem Mal, als sie mit Ihnen kam. Nur Dr. Ransom, wie ein Uhrwerk. Sie war die beste Familienangehörige von jemandem von diesen Leuten, die ich je gesehen habe; sie hat gegeben und nichts bekommen. Ich habe es sie ständig tun sehen bis zu dem Tag, an dem ich dort aufhörte.«
»Wann war das?«
»Vor acht Monaten.«
»Warum haben Sie aufgehört?«
»Weil sie mich entlassen wollten. Dr. Ransom hat’s mir vorher gesagt, dass sie das Haus zumachen würden. Sie sagte, sie dankte mir für alles, was ich für Shirlee getan hätte, es tat ihr leid, dass sie sie nicht mitnehmen konnte, aber Shirlee würde weiterhin gute Pflege erhalten. Sie sagte, ich hätte es sehr gut gemacht. Dann gab sie mir fünfzehnhundert Dollar in bar, um mir zu zeigen, dass sie es ernst meinte. Daran können Sie sehen, was für ein Mensch sie war. Es ergibt keinen Sinn, dass sie so deprimiert gewesen sein soll.«
»Also wusste sie, dass Resthaven schließen würde?«
»Und sie hatte recht. Ein paar Wochen später bekamen alle einen Formbrief, Entlassung. Liebe Angestellte. Eine Freundin von mir hat auf der Station gearbeitet - ich warnte sie, aber sie hat mir nicht geglaubt. Als es passierte, bekam sie keinerlei Nachricht, keine Abfindung, nur ein Bye-bye, Charlie, wir sind bankrott. Aus dem Geschäft und du auch.«
»Haben Sie eine Ahnung, wohin Dr. Ransom Shirlee gebracht hat?«
»Nein, aber glauben Sie mir, es muss was Gutes gewesen sein - sie liebte das Mädchen sehr, behandelte sie wie eine Königin.« Er hielt inne und machte ein grimmiges Gesicht. »Wenn sie tot ist - wer kümmert sich dann um das arme Ding?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, wo sie ist. Niemand weiß es.«
»O Gott. Das klingt allmählich traurig.«
»Ich bin sicher, dass sie gut aufgehoben ist«, sagte ich. »Die Familie hat Geld - hat sie viel von ihrer Familie gesprochen?«
»Mit mir nicht.«
»Aber Sie wussten, dass sie reich war?«
»Sie bezahlte die Rechnungen bei Resthaven, also musste sie es sein. Außerdem sah man ihr sofort an, dass sie Geld hatte - wie sie sich anzog und wie sie sich bewegte. Dass sie eine Doktorin war.«
»Dr. Ransom zahlte die Rechnungen?«
»So stand’s oben auf der Krankenkarte: Alle finanzielle Korrespondenz ist an Dr. Ransom zu richten.«
»Was stand noch auf der Karte?«
»Die ganze Behandlung. Eine Zeitlang ließ Dr. Ransom sogar eine Sprachtherapeutin kommen, aber das war Zeitverschwendung - Shirlee war weit vom Sprechen entfernt. Dasselbe mit’ner Blindenlehrerin. Dr. Ransom hat wirklich alles versucht. Sie liebte das Mädchen - ich kann einfach nicht verstehen, wieso sie sich umbringt und das arme Ding ihrem Schicksal überlässt.«
»Stand eine Vorgeschichte auf der Karte?«
»Nur von ganz am Anfang und eine Zusammenfassung aller Probleme, geschrieben von Dr.
Weitere Kostenlose Bücher