Sharon: die Frau, die zweimal starb
Verzweiflung.
»Es hat einen Kommunikationszusammenbruch gegeben. Die Patientin sagt, sie liebt ihren Freund, aber sie hat das Gefühl, dass sie sich voneinander entfernen. Sie können nicht mehr über Dinge reden, über die sie früher zu diskutieren pflegten.«
»Zum Beispiel?«, fragte Julian durch eine Rauchwolke.
»Ungefähr über alles.«
»Über alles ? Was sie zum Frühstück wollten? Gefüllter Truthahn gegen Kartoffeln?«
»Damals ja. Es hat einen völligen Zusammenbruch gegeben -«
»Zusammenbruch«, sagte Maddy. »Du hast das Wort dreimal benutzt, ohne zu erklären, was du meinst. Versuche lieber zu erläutern als zu wiederholen. Wie sieht der Zusammenbruch aus?«
»Es ist schlimmer geworden«, sagte Sharon, und sie sagte es, als ob es eine Frage sein sollte.
Maddy lachte plötzlich. »Ist ja toll. Jetzt ist mir alles sonnenklar.«
Sharon sprach leiser: »Ich weiß wirklich nicht, was du sagen willst, Maddy«
Maddy schüttelte angewidert den Kopf und sagte zu niemandem im Besonderen: »So’ne Zeitverschwendung für diese Scheiße.«
»Ich schließe mich meiner Vorrednerin an«, sagte jemand.
»Bleiben wir bei dem Fall. Sharon, warum hat dieses Mädchen das Gefühl, dass das Verhältnis in die Brüche gegangen ist?«, fragte ich sie.
»Wir haben mehrere Sitzungen lang darüber gesprochen. Sie behauptet, sie weiß es nicht. Zuerst dachte sie, er hätte kein Interesse mehr an ihr und ginge zu einer anderen Frau. Er bestreitet das - er verbringt seine ganze freie Zeit mit ihr zusammen, also glaubt sie, er sagt ihr die Wahrheit. Aber wenn sie zusammen sind, will er nicht reden und scheint ärgerlich auf sie zu sein - oder wenigstens hat sie das Gefühl. Es kam alles ganz plötzlich und wurde schlimmer.«
»Ist irgendetwas anderes in der Zeit geschehen?«, fragte ich. »Irgendein mit Stress verbundenes Ereignis?«
Wieder ein Erröten.
»Haben sie in der Zeit angefangen, Sex miteinander zu haben, Sharon?«
Nicken. »Ungefähr dann.«
»Gab es sexuelle Probleme?«
»Das ist schwer zu erfahren.«
»Unsinn«, sagte Maddy. »Es wäre leicht festzustellen, wenn du deine Arbeit richtig angefasst hättest.«
Ich wandte mich an sie: »Wie kommen Sie an diese Art von Information, Maddy?«
»Dadurch, dass ich real bin, mit der betreffenden Person eine Beziehung herstelle.« Sie tickte jeden Satz mit dem Finger weg. »Man muss die speziellen Abwehrmechanismen des Klienten kennen - auf die Abwehr vorbereitet sein und mitgehen. Aber wenn das nicht funktioniert: Frontal ansprechen und nicht nachgeben, bis der Klient einsieht, dass es einem ernst damit ist. Dann einfach drangehen an die Sache und das Thema anpacken, Himmel noch mal. Diese Frau kommt seit zwei Monaten zu ihr. Sie hätte das inzwischen alles klären können.«
Ich sah Sharon an.
»Ich habe es versucht«, sagte sie, und die Röte war immer noch vorhanden. »Wir haben über ihre Abwehrmechanismen gesprochen. Es braucht Zeit. Es gibt da Probleme.«
» Seckschuelle Probleme«, erklärte Maddy. »Nenn doch das Kind beim Namen, Honey. Nächstes Mal wird’s leichter.«
Vereinzeltes Gelächter. Sharon schien es ruhig hinzunehmen. Aber ich behielt sie im Auge.
»Teile uns die Probleme mit«, drängte Walter sie, grinste und spielte mit seinem Pferdeschwanz.
»Sie sind … sie ist unbefriedigt«, sagte Sharon.
» Kommt sie?«, fragte Julian.
»Ich glaube nicht.«
»Glaubst nicht?«
»Nein. Nein. Sie … tut es nicht.«
»Was tust du dann, um ihr zu helfen, dass sie kommt?«
Sie biss sich wieder auf die Lippe.
»Nun mal los«, sagte Maddy.
Sharons Hände fingen an zu zittern. Sie schlang sie ineinander, um es zu verbergen. »Wir haben … wir haben darüber geredet … ihre Angst zu verringern, sie zu entspannen.«
»Herrgott ja, mach nur immer die Frau verantwortlich«, sagte Maddy. »Wer sagt, dass es ihr Problem ist? Vielleicht liegt’s an ihm. Vielleicht hat er einen Bammel. Oder Kurzschluss.«
»Sie sagt, er ist … okay. Sie ist diejenige, die nervös ist.«
»Hast du es schon mal mit tiefer Muskelentspannung versucht?«, fragte Aurora. »Mit systematischer Desensibilisierung?«
»Nein, nicht so systematisch. Es fällt ihr noch sehr schwer, darüber zu reden.«
»Warum, fragt man sich«, sagte Julian.
»Wir arbeiten nur erst mal daran, ruhig zu bleiben«, sagte Sharon. Es klang wie eine Selbstbeschreibung.
»Schwer, ruhig zu bleiben ohne primäre Themen«, sagte Walter beruhigend. »Haben sie oralen Sex gemacht?«
»Öh,
Weitere Kostenlose Bücher