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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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nicht geschafft, und mein gesellschaftliches Leben beschränkte sich auf gelegentliche Begegnungen und einen gezwungenen Sex, der den Charakter gymnastischer Übungen hatte.
    Mein letztes Rendezvous war über zwei Monate her - ein kurzes, misslungenes Abenteuer mit einer hübschen, blonden, aus Kansas stammenden Assistenzärztin der Geburtshilfeabteilung. Sie lud mich zum Ausgehen ein, als wir zusammen in der Hospitalcafeteria Schlange standen. Sie schlug das Restaurant vor, zahlte selbst für ihr Essen, lud sich zu mir in mein Apartment ein, streckte sofort auf der Couch alle viere von sich, schluckte eine Quaalude-Pille und wurde ärgerlich, als ich mich weigerte, eine zu nehmen. Einen Augenblick darauf war ihr Ärger vergessen, sie war splitternackt und grinste und zeigte auf ihr Geschlecht: »Wir sind hier in L.A., Buster. Iss Pussy«
    Zwei Monate.
    Und jetzt war ich hier und saß einer spröden Schönheit gegenüber, bei der ich mir wie Einstein vorkam und die sich den Mund sogar abwischte, wenn er sauber war. Ich berauschte mich an ihr. Im Kerzenlicht der Pizzeria kam mir alles an ihr wie etwas ganz Besonderes vor: dass sie Bier verschmähte und stattdessen lieber Seven-Up trank und wie ein Kind über das Missgeschick von Wile E. Coyote lachte und Fäden heißen Käses zwischen den Fingern drehte, bevor sie ihn zwischen die makellosen weißen Zähne nahm.
    Ein Aufleuchten ihrer rosa Zunge.
    Ich konstruierte eine Vergangenheit für sie, die nach hohen angelsächsisch-puritanischen Werten roch: Sommerhäuser, Kotillons, Debütantinnenbälle, Jagden. Scharen von Verehrern...
    Der Wissenschaftler in mir schnippelte meine Fantasie in der Mitte durch: reine Mutmaßungen, du Superpsychologe. Sie hat dir ein paar Lücken gelassen - du füllst sie mit wilden Einbildungen auf.
    Ich bohrte noch einmal nach, um herauszubekommen, wer sie war. Sie antwortete mir, ohne etwas von sich zu verraten, brachte mich dazu, dass ich wieder über mich selbst zu reden anfing.
    Ich ergab mich der billigen Verlockung, aus meinem Leben zu erzählen. Sie machte es mir leicht. Sie war eine ausgezeichnete Zuhörerin, stützte das Kinn auf die Knöchel und sah unverwandt aus ihren riesigen blauen Augen zu mir auf, machte deutlich, dass jedes Wort, dass ich äußerte, ungeheuer wichtig war. Spielte mit meinen Fingern, lachte über meine Witze, warf das Haar zurück, sodass das Licht sich in ihren Ohrclips fing.
    In jenem Augenblick war ich ein Gottesgeschenk für Sharon Ransom. Ich hatte mich nie zuvor so glücklich gefühlt.
    Ohne all das hätte mich ihre Schönheit vielleicht erschlagen. Sogar in diesem lauten Schuppen, in dem es von entzückenden jungen Mädchenkörpern und hinreißenden Gesichtern wimmelte, war ihre Schönheit ein Magnet. Jeder vorübergehende Mann blieb offenbar stehen und verschlang sie mit den Augen, und die Frauen taxierten sie mit wütender Eifersucht. Sie merkte es nicht, ihre Augen hingen nur an mir.
    Ich hörte mich Dinge sagen, die ich bis dahin in mir verschlossen gehalten oder an die ich seit Jahren nicht gedacht hatte.
    Was für Probleme sie auch haben mochte, als Therapeutin war sie großartig.
     
 
    Von Anfang an begehrte ich sie körperlich mit einer solchen Heftigkeit, dass es mich aufwühlte. Aber etwas an ihr - ihre Zerbrechlichkeit, die ich spürte oder mir einbildete - hielt mich zurück.
    Während eines halben Dutzends unserer Begegnungen blieb ich keusch: Händehalten und zur guten Nacht ein Kuss auf die Wange, ein Atemzug ihres leichten, frischen Parfüms. Ich fuhr erregt, aber eigenartig zufrieden nach Haus und lebte von den Erinnerungen.
    Als wir nach unserer siebten Verabredung zurück zu ihrem Dormitorium fuhren, sagte sie: »Setze mich noch nicht ab. Fahr um die Ecke.«
    Sie zeigte mir eine dunkle, schattige Seitenstraße, die an einem der Sportplätze lag. Ich parkte. Sie beugte sich vor, schaltete die Zündung aus, nahm die Schuhe ab und kletterte über ihren Sitz hinüber in den Fond des Ramblers.
    Ich folgte ihr nach hinten und war froh, dass ich den Wagen gewaschen hatte. Setzte mich neben sie, nahm sie in die Arme, küsste ihre Lippen, ihre Augen, den süßen Fleck unter ihrem Hals. Sie zitterte, wand sich. Ich berührte ihre Brust. Fühlte ihr Herz schlagen. Wir küssten uns weiter, tiefer, länger. Ich legte die Hand auf ihr Knie. Sie zitterte und sah mich an, ich glaubte, es sei Angst. Ich hob die Hand. Sie legte sie wieder hin, zwischen ihre Knie, keilte mich hinein in einen weichen,

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