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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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kleiner Spanier mit Spitzbauch, schnellen Händen und einem kupfernen Indianergesicht. Ich sah ihn Gläser mit einer Maschine spülen.
    »Schlimmer als ich je gesehen, ganz ohne Zweifel, Sir. Vergleichen Sie das mal mit den Vertretern - Versicherungen, Computer und was immer - Vertreter trinken massenhaft. Piloten auch.«
    »Ein tröstender Gedanke«, sagte ich.
    »Ja, die Vertreter und die Piloten. Aber ihr Psychos? Das können Sie vergessen. Sogar die Lehrerinnen, die wir letzten Winter hatten, waren besser, und mit denen war wirklich nicht viel los. Nun gucken Sie sich das hier an. Tot.«
    Er drehte ein Glas Perlzwiebeln auf, ließ die Flüssigkeit rauslaufen und schüttete die kleinen Kugeln auf einen Teller. »Wie viele seid ihr denn auf dem Bums?«
    »Paar tausend.«
    »Paar tausend.« Er schüttelte den Kopf. »Guck dir das hier an. Seid ihr alle zu sehr damit beschäftigt, andere Leute zu analysieren, dürft keinen Spaß haben?«
    »Vielleicht«, sagte ich und dachte daran, wie langweilig der Kongress gewesen war. Aber Kongresse waren immer langweilig. Zu diesem war ich nur gekommen, weil man mich gebeten hatte, ein Manuskript über Kindheitsstress abzuliefern. Das Papier war verlesen, die unvermeidlichen, läppischen Fragen waren gestellt und beantwortet, und ich suchte ein bisschen Einsamkeit, bevor ich wieder zurück nach L.A. und zur Nachtschicht im Kinderkrankenhaus fuhr.
    »Vielleicht solltet ihr Leute euch mal selbst studieren, großer Meister. Analysiert mal, warum ihr keinen Spaß mögt.«
    »Gute Idee.« Ich legte Geld auf die Bar: »Trinken Sie einen auf mein Wohl.«
    Er starrte die Scheine an. »Klar, danke.« Er steckte sich eine Zigarette an, goss sich ein Bier ein und beugte sich zu mir herüber.
    »Ich bin jedenfalls für leben und leben lassen. Wenn jemand keinen Spaß haben will, okay. Aber wenigstens reinkommen und was bestellen, verstehen Sie, was ich meine? Sie wollen nichts trinken? Dann sollen sie es analysieren. Aber was bestellen und’n Trinkgeld dalassen. Was für den arbeitenden Menschen.«
    »Auf den arbeitenden Menschen«, sagte ich und hob mein Glas. Als ich es absetzte, war es leer.
    »Nachfüllung, Doc? Aufs Haus.«
    »Ich nehme eine Cola.«
    »Zahlen. Ein Rum und eine Cola, ohne Rum kein Bumm.«
    Er stellte die Cola auf den Bartresen und wollte gerade etwas sagen, als die Tür zum Vorraum aufging und Geräusche aus der Lobby herüberklangen. Seine Augen wanderten nach hinten, und er sagte: »O lala.«
    Ich sah über die Schulter nach hinten und erblickte eine Frau in Weiß. Lange Beine, gute Figur, schwarze Mähne. Sie stand in der Nähe des Zigarettenautomaten und bewegte den Kopf hin und her, als erforsche sie ein unbekanntes Territorium.
    Sie kam mir bekannt vor. Ich drehte mich um, sie genauer anzusehen.
    Sharon. Tatsächlich Sharon. In einem Leinenkostüm, passende Handtasche und Schuhe.
    Sie sah mich und winkte, als ob wir verabredet wären.
    »Alex!«
    Ganz plötzlich war sie an meiner Seite. Seife und Wasser, frisches Gras …
    Sie setzte sich auf den Hocker neben mich, kreuzte die Beine und zog den Rock über die Knie.
    Der Barkeeper zwinkerte mir zu. »Drink, Ma’am?«
    »Seven-Up, bitte.«
    »Ja, Ma’am.«
    Nachdem er ihr den Drink hingestellt hatte und weggegangen war, sagte sie: »Du siehst großartig aus, Alex. Ich mag den Bart.«
    »Spart man morgens Zeit.«
    »Ich finde ihn hübsch.« Sie nippte, spielte mit ihrem Rührer. »Ich höre lauter gute Dinge über dich, Alex. Schon früh die feste Anstellung und so viele Publikationen. Ich habe ein paar von deinen Artikeln gelesen. Eine Menge daraus gelernt.«
    »Freut mich zu hören.«
    Schweigen.
    »Ich hab endlich promoviert«, sagte sie. »Vorigen Monat.«
    »Herzlichen Glückwunsch, Frau Doktor.«
    »Danke. Ich habe länger gebraucht, als ich gedacht hatte. Aber ich war mit der klinischen Arbeit beschäftigt und bin nicht dazu gekommen, die Dissertation so fleißig zu schreiben, wie ich’s hätte tun sollen.«
    Wir saßen schweigend da. Ein paar Meter entfernt von uns pfiff der Barkeeper »La Bamba«, während er mit dem Eisstampfer herumklirrte.
    »Schön, dich zu sehen«, sagte sie. Ich antwortete nicht.
    Sie berührte meinen Arm. Ich starrte ihre Finger an, und sie nahm sie weg.
    »Ich wollte dich sehen«, sagte sie.
    »Wozu?«
    »Ich möchte erklären -«
    »Du brauchst mir nichts zu erklären, Sharon. Es ist vorbei.«
    »Für mich nicht.«
    »Kleine Meinungsverschiedenheit. Auffassungssache.«
    Sie kam

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