Sharpes Festung
wollte. »Und nehmen Sie den schmutzigen Araberjungen mit raus«, fügte er hinzu und nickte zu Ahmed hin, der, bewaffnet mit einer Muskete, die er einem Gefallenen auf dem Schlachtfeld abgenommen hatte, Sharpe ins Haus gefolgt war.
»Musketen!«, versuchte ein Mann den Schreiber auf sich aufmerksam zu machen.
»Hufeisen!«, rief ein Lieutenant der East India Company.
»Eimer«, sagte ein Kanonier.
»Kommen Sie morgen wieder«, sagte der Schreiber. »Morgen!«
»Das haben Sie schon gestern gesagt«, erwiderte der Kanonier, »und hier bin ich.«
»Wo ist Captain Torrance?«, fragte Sharpe.
»Er ist krank«, sagte der Schreiber missbilligend, als hätte Sharpe allein durch seine Frage die anfällige Gesundheit des Captains gefährdet. »Er kann nicht gestört werden. Und warum ist dieser Junge hier? Er ist ein Araber!«
»Weil ich will, dass er hier ist«, sagte Sharpe. Er ging um den Tisch herum und starrte auf die Hauptbücher hinab. »Welch ein Durcheinander!«
»Sahib!« Der Schreiber hatte jetzt erkannt, dass Sharpe ein Offizier war. »Bleiben Sie auf der anderen Seite des Tisches, Sahib, bitte, Sahib! Hier ist System drin, Sahib. Ich bleibe auf dieser Seite des Tischs, und Sie bleiben auf der anderen. Bitte, Sahib.«
»Wie heißen Sie?«, fragte Sharpe.
Die Frage schien seinen Stolz zu verletzen. »Ich bin Captain Torrances Assistent«, sagte er großartig.
»Und Torrance ist krank?«
»Der Captain ist sehr krank.«
»Und wer hat das Kommando?«
»Ich«, sagte der Schreiber.
»Nicht mehr länger«, sagte Sharpe. Er blickte zu dem Lieutenant der East India Company auf. »Was möchten Sie?«
»Hufeisen.«
»Wo sind also die verdammten Hufeisen?«, fragte Sharpe den Schreiber.
»Das habe ich erklärt, Sahib, das habe ich schon erklärt«, sagte der Schreiber. Er war ein Mann in mittleren Jahren mit Gelehrtengesicht und tintenbefleckten Fingern. Hastig schloss er die Hauptbücher, sodass Sharpe nicht darin lesen konnte. »Und jetzt, Sahib, stellen Sie sich bitte hinten an.«
»Wo sind die Hufeisen?« Sharpe neigte sich dicht an den schwitzenden Schreiber.
»Dieses Büro ist geschlossen!«, rief der. »Geschlossen bis morgen! Dann werden wieder Geschäfte abgewickelt. Befehl von Captain Torrance!«
»Ahmed!«, rief Sharpe. »Erschieß den Scheißer.«
Ahmed verstand kein Englisch, doch das konnte der Schreiber nicht wissen. Er streckte abwehrend die Hände vor. »Ich schließe das Büro! Unter diesen Umständen kann ich nicht arbeiten! Ich werde mich bei Captain Torrance beschweren! Es wird Probleme geben! Große Probleme!« Der Schreiber blickte zu einer Tür, die weiter ins Haus führte.
»Ist Torrance da drin?«, fragte Sharpe und nickte zu der Tür.
»Nein, Sahib, und Sie können dort nicht reingehen. Der Captain ist krank.«
Sharpe ging zu der Tür und stieß sie auf. Der Schreiber protestierte lautstark, doch Sharpe ignorierte ihn. Der Musselinvorhang an der Tür verhedderte sich, als Sharpe sich in den Raum schob, in dem die Hängematte eines Matrosen von der Decke hing. Niemand schien sich in dem Raum aufzuhalten, doch dann ließ ihn ein wimmernder Laut in eine halb dunkele Ecke blicken. Dort duckte sich eine jüngere Frau. Sie trug einen Sari, wirkte jedoch europäisch auf Sharpe. Sie hatte Goldlitze auf die Außennähte einer Reithose genäht, starrte jetzt jedoch mit geweiteten Augen angstvoll auf Sharpe.
»Wer sind Sie, Ma’am?«, fragte Sharpe.
Die Frau schüttelte den Kopf. Sie hatte pechschwarzes Haar und einen sehr weißen Teint. Er spürte ihre Angst.
»Ist Captain Torrance hier?«, wollte Sharpe wissen.
»Nein«, wisperte sie.
»Er ist krank, stimmt das?«
»Wenn er das so sagt, Sir«, erwiderte sie leise. Ihr Londoner Akzent verriet, dass sie Engländerin war.
»Vor mir haben Sie nichts zu befürchten, meine Liebe«, sagte Sharpe, denn sie zitterte vor Angst. »Sind Sie Frau Torrance?«
»Nein!«
»Sie arbeiten für ihn?«
»Ja, Sir.«
»Und Sie wissen nicht, wo er ist?«
»Nein, Sir«, sagte sie leise und sah mit großen Augen zu Sharpe auf. Er nahm an, dass sie log. Vermutlich hatte sie einen guten Grund zu lügen, weil sie vielleicht eine Bestrafung durch Torrance befürchtete, wenn sie die Wahrheit sagte. Er spielte mit dem Gedanken, sie sanft auszuhorchen, sagte sich dann jedoch, dass dies zu lange dauern würde. Er fragte sich, wer sie war. Sie war hübsch, trotz der Angst, vermutlich Torrances bibbi. Glücklicher Torrance, dachte er. »Tut mir leid, dass
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