Sharpes Feuerprobe
sondern führte in das Lager, das eine Rundumsicherung hatte.
In der vergangenen Nacht hatte Sharpe herauszufinden versucht, ob seine rote Kordel und das goldene Medaillon ihm genügend Autorität verleihen würden, dass er durch das Lager wandern und vielleicht eine dunkle und ruhige Stelle finden konnte, an der er durch die Umzäunung kriechen konnte. Zwanzig Yards vom Tor entfernt war er abgefangen und höflich zurückgeschickt worden. Der Sultan ging anscheinend keine Risiken ein.
»Ich habe sie bereits von Wazzy reinigen lassen«, sagte Lawford und nickte zur Muskete in Sharpes Händen. Wazir war einer der kleinen Jungen, die bei der Kaserne herumlungerten, um sich etwas mit dem Waschen und Reinigen der Ausrüstung zu verdienen. »Ich habe dafür bezahlt«, sagte Lawford empört.
»Wenn du etwas richtig gemacht haben willst«, sagte Sharpe, »musst du es selbst tun, verdammt!« Er fluchte, weil er sich an der Hauptfeder der Muskete die Finger eingeklemmt hatte. Er hatte die Hauptfeder freigelegt, indem er den Verschlussdeckel abgeschraubt hatte. »Sieh dir diesen Rost an!« Er schaffte es, die Hauptfeder zu lösen, und er begann den Rost vom Rand der Feder abzufeilen. »Verdammter Schund, diese französischen Musketen«, grollte er. »Nichts geht über ein richtiges Birmingham-Gewehr.«
»Reinigst du auch so deine Muskete?«, fragte Lawford, beeindruckt, weil Sharpe die Verschlussplatte abgeschraubt hatte.
»Natürlich nicht! Nicht, dass sich Hakeswill je darum gekümmert hat. Er sieht nur auf die Außenseite.« Sharpe grinste. »Erinnerst du dich an den Tag, an dem du mich mit dem Feuerstein gerettet hast? Hakeswill hatte ihn durch ein Stück normalen Stein ausgetauscht, aber ich habe das bemerkt, bevor er irgendwelchen Schaden anrichten konnte. Er ist ein gerissener Schweinehund.«
»Er hat ihn vertauscht?« Lawford wirkte geschockt.
»Dieser Obadiah ist eine verdammte Schlange. Wie viel hast du Wazzy bezahlt?«
»Einen Anna.«
»Das ist ja ein Wucherpreis! Gibst du mir bitte dieses Ölfläschchen?«
Lawford reichte es ihm, dann lehnte er sich zurück gegen den steinernen Wassertrog, in dem Sharpe die Uniformröcke gewaschen hatte. Er fühlte sich sonderbar zufrieden, trotz des offensichtlichen Scheiterns seiner Mission. Es war fast ein Vergnügen für ihn, diese Vertrautheit mit Sharpe zu teilen, und er fühlte sich sonderbar privilegiert. Viele junge Offiziere waren reserviert gegenüber den Männern, die sie befehligten, fürchteten ihre Verachtung, und sie kaschierten ihre Besorgnis, indem sie sich gleichgültig und arrogant gaben. Lawford bezweifelte, dass er das jetzt jemals wieder tun konnte, denn er empfand nicht mehr irgendwelche Furcht vor den ungehobelten, harten Männern, welche die Mannschaften der britischen Armee bildeten. Sharpe hatte ihn davon geheilt, indem er ihn gelehrt hatte, dass es gedankenlos war, sie für primitiv zu halten, und dass die Härte in Wirklichkeit ihre Gewissenhaftigkeit verhüllte. Nicht jeder Mann war gewissenhaft, genauso wenig wie alle britischen Soldaten primitiv waren, aber zu viele Offiziere nahmen an, dass sie allesamt hirnlose Rohlinge waren, und behandelten sie dementsprechend.
Jetzt beobachtete Lawford, wie Sharpe geschickt die vom Rost befreite Hauptfeder in die Aushöhlung zurückdrückte.
»Lieutenant?«, rief eine Stimme respektvoll über den Hof. »Lieutenant Lawford?«
»Sir«, erwiderte Lawford, ohne zu denken, drehte sich zu der Stimme um und erhob sich. Dann wurde ihm klar, dass er sich durch diese Reaktion verraten hatte, und er erbleichte.
Sharpe fluchte leise.
Colonel Gudin kam langsam über den Hof und rieb über sein langes Gesicht, als er sich den beiden Engländern näherte.
»Lieutenant William Lawford«, fragte er freundlich, »vom 33. Regiment Seiner Majestät?«
Lawford schwieg.
Gudin zuckte mit den Schultern. »Offiziere sollten Ehrenmänner sein, Lieutenant. Wollen Sie weiterhin lügen?«
»Nein, Sir«, sagte Lawford.
Gudin seufzte. »Sind Sie also ein durch Patent bestallter Offizier, oder nicht?«
»Der bin ich, Sir.« Lawford klang beschämt – weil er eines unehrenhaften Verhaltens beschuldigt worden war oder weil er seinen wahren Dienstrang verraten hatte, das konnte Sharpe nicht sagen.
»Und Sie, Caporal Sharpe?«, fragte Gudin traurig.
»Ich bin kein Offizier, Colonel.«
»Nein«, sagte Gudin, »das habe ich auch nicht angenommen. Aber sind Sie ein wahrer Deserteur?«
»Natürlich bin ich einer, Sir!«, log
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