Sharpes Feuerprobe
er war auf ein Dach geklettert und von dort in die Gasse hinabgesprungen, und jetzt zielte er mit seiner Pistole auf Sharpe. Lawford, mit dem Säbel in der Hand, war ein halbes Dutzend Schritte entfernt, zu weit, um zu helfen.
Gudin ruckte mit der Pistole. »Lassen Sie die Muskete fallen, Sharpe!« Gudins Stimme klang ruhig.
Sharpe hatte sich mit der Muskete an der Hüfte umgedreht. Der Colonel war nur drei, vier Schritte entfernt.
»Legen Sie Ihre Pistole ab, Sir«, sagte Sharpe.
Ein Ausdruck des Bedauerns fiel über das Gesicht des Colonels, als er seinen Arm ausstreckte, um genauer zu zielen.
Sharpe feuerte aus der Hüfte, als er die kleine Bewegung sah, und obwohl er nicht gezielt hatte, traf er den Colonel hoch in die rechte Schulter, sodass Gudins Schussarm in die Luft ruckte.
»Tut mir leid, Sir«, sagte Sharpe, und dann rannte er zu einer der Raketenhüllen, aus denen noch Flämmchen zuckten. Er trug die noch brennende Hülle zum Ende der Lunte und verharrte lauschend. Er konnte Kanonenfeuer hören, und er wusste, dass es Tippus Geschütze sein mussten, denn keine britischen Artilleristen würden jetzt zu feuern wagen, weil sie die angreifenden Kameraden treffen konnten. Er hörte auch Musketenfeuer, doch zugleich nahm er das laute, kehlige Gebrüll von Männern wahr, die in die Bresche stürmten. Das Himmelfahrtskommando musste kämpfen, und das bedeutete, die Lücke zwischen den Wällen musste von britischen Soldaten frei sein. Er bückte sich, um die flackernde Flamme der Raketenhülle an die wartende Lunte der Sprengladung zu halten, doch Lawford schob seinen Arm zur Seite.
Sharpe blickte zu dem Lieutenant. »Sir?«
»Wir sollten die Sprengladung in Ruhe lassen, finde ich, Sharpe. Unsere Männer könnten zu nahe sein.«
Sharpe hielt immer noch das brennende Raketenstück. »Nur wir beide, Sir, wie?«
»Wir beide, Sharpe?«, fragte Lawford verwirrt.
»In fünf Minuten, wenn sich Tippu wundert, warum sein Feuerwerk nicht losgeht, schickt er ein Dutzend Männer, um herauszufinden, was geschehen ist. Du und ich? Wir werden allein gegen all diese Scheißer kämpfen?«
Lawford zögerte. »Ich weiß nicht«, sagte er unsicher.
»Aber ich, Sir.« Sharpe hielt das brennende Raketenstück an die Lunte, und sofort begannen sich schnell bitter riechende Funken über die mit Pulver imprägnierte Lunte zu fressen. Gudin versuchte, sie auszutreten, doch Sharpe schob den Franzosen grob zur Seite.
»Sind Sie schlimm verletzt, Sir?«, fragte er Gudin.
»Gebrochene Schulter, Sharpe.« Gudin wirkte den Tränen nahe, nicht wegen seiner Verwundung, sondern weil er in seinem Dienst versagt hatte. »Ich glaube, Doktor Venkatesh wird das reparieren können. Wie sind Sie entkommen?«
»Ich habe einen Tiger und einige weitere dieser jettis gekillt.«
Gudin lächelte traurig. »Tippu hätte Sie töten sollen, als er noch die Chance dazu gehabt hat.«
»Wir alle machen Fehler, Sir«, sagte Sharpe und beobachtete, wie sich die Funken durch die Lunte über die Steinbarrikade fraßen, die vor dem Tor des alten Torwegs aufgeschichtet war. »Ich nehme an, wir sollten Sie in Deckung bringen, Sir«, sagte er und zog den sich sträubenden Gudin in die Türöffnung, in die sich Lawford bereits duckte.
Der Rauch lichtete sich in der Gasse. Ein verwundeter jetti kroch auf den fernen Wall zu, ein anderer erbrach sich, und Sergeant Rothière stöhnte. Blut rann aus den Nasenflügeln des Sergeants, und sein Hinterkopf war dunkel von geronnenem Blut.
»Ich nehme an, du hast es soeben zum Sergeant geschafft, Sharpe«, sagte Lawford.
Sharpe lächelte. »Das nehme ich auch an, Sir.«
»Gut gemacht, Sergeant Sharpe.« Lawford steckte ihm die Hand hin. »Guter Arbeitstag.«
Sharpe schüttelte seinem Offizier die Hand. »Doch die Arbeit des Tages ist noch nicht erledigt, Sir.«
»Nicht?« Lawford sah ihn verständnislos an. »Um Himmels willen, Mann, was hast du denn noch vor?«
Lawford hörte nicht mehr, was Sergeant Sharpe antwortete, denn in diesem Moment flog die Sprengladung in die Luft.
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KAPITEL 11
Tippus Pioniere hatten gute Arbeit geleistet. Nicht alle Kraft der Sprengung wurde nordwärts geleitet, jedoch der größte Teil davon, und dieser Teil war verheerend. Die Explosion erfasste den Raum zwischen innerem und äußerem Wall, in dem sich eigentlich britische Soldaten hätten drängen sollen.
Für Sharpe, der
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