Sharpes Feuerprobe
Leben zu erhalten, Sir.«
Die Entscheidung, ob Sharpe mitgenommen wurde oder nicht, blieb letzten Endes bei General Harris, der insgeheim mit Wellesley einer Meinung war, dass es der Disziplin schadete, einem Mann seine wohlverdiente Bestrafung zu ersparen. Doch schließlich, überzeugt, dass außergewöhnliche Maßnahmen erforderlich waren, um McCandless zu befreien, ließ sich der General von Bairds Begeisterung anstecken und befahl schweren Herzens, den unglücklichen Sharpe zum Zelt zu holen.
Deshalb wankte Sharpe schließlich in das schwache gelbliche Licht, das durch das Segeltuch des hohen Zelts fiel. Er trug eine saubere Uniform, doch jeder im Zelt konnte sehen, dass er noch schreckliche Schmerzen hatte. Er bewegte sich steif, und die Steifheit rührte nicht nur von den meterlangen Verbänden her, die seinen Oberkörper umgaben, sondern auch von der Qual bei jeder Bewegung seines Körpers. Er hatte versucht, das Blut aus seinem Haar zu waschen, und hatte dabei den Großteil des Puders herausgespült, und als Colonel Wellesley ihm befahl, seinen Hut abzunehmen, wirkte sein Haar seltsam gesprenkelt.
»Ich nehme an, Sie setzen sich besser«, schlug General Baird vor und blickte zu Harris, um dessen Erlaubnis einzuholen.
»Holen Sie sich einen Stuhl«, befahl Harris Sharpe, und dann konnte er sehen, dass der Private sich nicht bücken konnte, um ihn anzuheben.
Baird holte den Stuhl.
»Tut es weh?«, fragte er mitfühlend.
»Jawohl, Sir.«
»Es soll wehtun«, sagte Wellesley barsch. »Der Schmerz ist der Sinn der Bestrafung.« Er blieb mit dem Rücken zu Sharpe gewandt und demonstrierte so seine Missbilligung. »Ich störe ungern eine Auspeitschung«, fuhr Wellesley wie im Selbstgespräch fort. »Es untergräbt die Ordnung. Wenn die Männer erst glauben, dass ihre Urteile verkürzt werden können, dann weiß Gott allein, zu welchen Schandtaten sie bereit sein werden.« Er drehte sich plötzlich auf seinem Stuhl und bedachte Sharpe mit eisigem Blick. »Wenn es nach mir ginge, Sharpe, würde ich Sie zurückmarschieren und den Job bei Ihnen beenden lassen.«
»Ich bezweifle, dass Private Sharpe die Bestrafung überhaupt verdient hat«, wagte Lawford zu äußern und wirkte erschrocken über seinen Mut, für Sharpe Partei zu ergreifen.
»Die Zeit für solche Gefühle, Lieutenant, war während der Verhandlung des Kriegsgerichts«, blaffte Wellesley, und sein Tonfall verriet, dass er dies ohnehin für reine Verschwendung hielt. »Sie haben Glück gehabt, Private Sharpe«, fuhr er angewidert fort. »Ich werde bekannt geben, dass Ihnen der Rest der Bestrafung als Belohnung für Ihren guten Kampf am Vortag erspart geblieben ist. Haben Sie gut gekämpft?«
Sharpe nickte. »Ich habe meinen Anteil des Feindes getötet, Sir.«
»So wandle ich das Urteil um. Und morgen werden Sie verdammt noch mal damit belohnt, dass Sie desertieren dürfen.«
Sharpe fragte sich, ob er richtig gehört hatte. Er sagte sich, dass es besser war, nicht zu fragen, und so blickte er vom Colonel fort starr auf die Zeltwand und behielt ein ausdrucksloses Gesicht.
»Haben Sie je mit dem Gedanken gespielt, zu desertieren, Sharpe?«, fragte General Baird.
»Ich, Sir?«, Sharpe schaffte es, überrascht auszusehen. »Ich doch nicht, Sir, nein, Sir. Das ist mir nie in den Sinn gekommen, Sir.«
Baird lächelte. »Wir brauchen einen guten Lügner für diese besondere Mission. So sind Sie eine ausgezeichnete Wahl, Sharpe. Außerdem wird jeder, der sich Ihren Rücken ansieht, wissen, warum Sie desertieren wollen.« Baird gefiel dieser Gedanke, und seine Miene verriet plötzlich Begeisterung. »Wenn Sie nicht bereits passend ausgepeitscht worden wären, hätten wir Ihnen möglicherweise selbst ein paar Peitschenhiebe verpassen müssen!« Er lächelte.
Sharpe lächelte nicht zurück. Stattdessen blickte er argwöhnisch von einem Offizier zum anderen. Er konnte sehen, dass Lawford nervös war, Baird sein Bestes tat, um freundlich zu sein, General Harris’ Miene ausdruckslos war und Colonel Wellesley sich angewidert abgewandt hatte. Aber Wellesley war schon immer ein kalter Fisch gewesen, und so hatte es keinen Sinn, zu versuchen, ihn für sich einzunehmen. Sharpe nahm an, dass Baird der Mann war, der ihn gerettet hatte, und das passte zu Bairds Ruf in der Armee. Der Schotte war ein Soldatengeneral. Ein tapferer Mann und sehr beliebt bei der Truppe.
Baird lächelte wieder, versuchte Sharpe die Spannung zu nehmen.
»Lassen Sie mich erklären, warum
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