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Sharpes Feuerprobe

Titel: Sharpes Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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pummelig und hatte vorzeitig ergrautes Haar und ein ansteckendes Lachen. Sie hatte zwei unverheiratete Töchter großgezogen, und es überraschte Mary, dass Lakshmi und ihre Töchter sich die Arbeit in dem großen Haus teilten, obwohl es ein paar Dienerinnen gab. Sie fegten es nicht aus und holten auch kein Brunnenwasser – diese Aufgaben wurden von den niedrigsten der Dienerinnen erledigt –, doch Lakshmi liebte es, in der Küche zu sein, von wo aus ihr Gelächter durch das ganze Haus hallte.
    Es war Lakshmi gewesen, die Mary ausgeschimpft hatte, weil sie so schmutzig war. Sie hatte die westliche Kleidung von ihr entfernt, sie zum Baden gezwungen und dann ihr verfilztes Haar gewaschen.
    »Du bist so schön, wenn du dir etwas Mühe gibst«, hatte Lakshmi gesagt.
    »Ich wollte keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen.«
    »Wenn du in meinem Alter bist, meine Liebe, wird dir niemand überhaupt Aufmerksamkeit schenken, also solltest du alles genießen, das man dir schenkt, solange du noch jung bist. Du sagst, du bist Witwe?«
    »Er war Engländer«, erklärte Mary nervös das Fehlen des Hochzeitsmals auf ihrer Stirn. Sie fragte sich, ob die ältere Frau dachte, sie hätte sich auf den Scheiterhaufen ihres Ehemannes werfen sollen.
    »Nun, jetzt bist du eine freie Frau, also lassen wir dich schön machen.« Lakshmi lachte und schrubbte sie mit Hilfe ihrer Töchter ab. Dann kämmte sie Marys Haar, zog es zurück und band es an ihrem Hinterkopf zu einem Knoten.
    Ein fröhliches Dienstmädchen brachte einen Arm voll Kleidung, und die Frauen drückten ihr cholis in die Hand. »Such dir eine aus«, sagte Lakshmi. Die choli war eine kurze Bluse, die Marys Brüste, die Schultern und Oberarme bedeckte, jedoch den Großteil ihres Rückens nackt ließ. Mary wählte instinktiv die bescheidenste aus, doch Lakshmi wollte nichts davon wissen.
    »Diese schöne blasse Haut musst du zeigen«, sagte sie und wählte eine choli , die mit roten Blumen und gelben Blättern gemustert war. Lakshmi zupfte die kurzen Ärmel zurecht.
    »Warum bist du mit diesen beiden Männern weggerannt?«, fragte sie.
    »Da war ein Mann in der Armee. Ein böser Mann. Er wollte ...« Mary verstummte und zuckte mit den Schultern. »Sie wissen schon, was.«
    »Soldaten!«, sagte Lakshmi verächtlich. »Aber die beiden Männer, mit denen du weggelaufen bist, haben sie dich gut behandelt?«
    »Ja, o ja.« Mary wünschte sich plötzlich, dass Lakshmi eine gute Meinung von ihr hatte, und diese Meinung würde nicht so gut sein, wenn sie glaubte, Mary wäre mit einem Geliebten von der Armee weggelaufen. »Einer von ihnen ...«, sie erzählte die Lüge leise und scheu, »... ist mein Halbbruder.«
    »Ah«, sagte Lakshmi, als sei damit jetzt alles klar. Ihr Mann hatte ihr erzählt, dass Mary mit ihrem Geliebten davongerannt sei, doch Lakshmi wollte lieber Marys Geschichte glauben. »Und der andere Mann?«, fragte sie.
    »Er ist nur ein Freund von meinem Bruder.« Mary errötete bei der Lüge, doch Lakshmi schien es nicht zu bemerken. »Beide beschützen mich«, erklärte Mary.
    »Das ist gut, das ist gut. Und jetzt dies.« Sie hielt Mary einen Unterrock hin, und Mary stieg hinein. Lakshmi band ihn am Rücken fest und ging eine Reihe von Saris durch. »Grün, das wird dir stehen. Du weißt, wie man einen Sari trägt?«
    »Meine Mutter hat es mich gelehrt.«
    »In Kalkutta?« Lakshmi lachte höhnisch. »Was weiß man in Kalkutta schon von Saris? Das sind doch nur enge, kleine Dinger im Norden. Hier, lass mich mal machen.«
    Lakshmi wickelte das erste Stück Seide um Marys schlanke Hüfte und steckte es im Bund des Unterrocks fest, dann wickelte sie eine weitere Länge um das Mädchen, aber diese Seide legte sie geschickt in Falten, die wieder fest im Bund des Unterrocks verankert waren. Mary hätte dies leicht selbst machen können, doch Lakshmi tat es mit solcher Freude, dass sie ihr nicht den Spaß nehmen wollte. Als die Falten in den Bund gesteckt waren und ungefähr die Hälfte des Saris aufgebraucht war, schlang Lakshmi den Rest über Marys linke Schulter, dann zupfte sie an der Seide, sodass sie in elegante Falten fiel. Anschließend trat sie zurück.
    »Perfekt! Jetzt kannst du kommen und uns in der Küche helfen. Wir werden diese alte Kleidung verbrennen.«
    In den Morgenstunden lehrte Mary jeden Tag die drei kleinen Jungen des Generals Englisch. Sie waren aufgeweckte Kinder, die schnell lernten, und die Stunden vergingen angenehm. An den Nachmittagen half sie bei den

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