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Sharpes Flucht

Sharpes Flucht

Titel: Sharpes Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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marschierten nach Süden.

KAPITEL 8
    Zuerst hatten sie geplant, ein Loch in die Falltür zu brechen und dann zu versuchen, das, was auch immer dort oben aufgehäuft war, zur Seite zu schieben. »Wir könnten es durch den Rand versuchen«, schlug Vicente vor. »Und dann können wir vielleicht dort oben durch eine Kiste brechen? Alles rausholen, was in der Kiste ist? Und uns dann durchquetschen?«
    Sharpe fiel kein anderer Weg ein, der ihnen die Freiheit bescheren könnte, also machten er und Harper sich an die Arbeit. Sie versuchten zunächst, die Falltür anzuheben, indem sie sich darunterhockten und sie hochstemmten, aber das Holz bewegte sich nicht einmal um den Bruchteil eines Zolls. Also begannen sie, das Holz wegzuschneiden. Vicente konnte mit seiner verwundeten Schulter nicht helfen, also saßen er und Sarah so weit wie möglich von den verfaulenden Leichen entfernt im Keller und hörten zu, wie Sharpe und Harper die Falltür attackierten. Harper benutzte sein Schwertbajonett und arbeitete weiter oben auf den Stufen. Sharpe warf seinen Rock ab, zog sich das Hemd aus und wickelte das Leinen um die Klinge, sodass er die Schneide umfassen konnte, ohne sich zu verletzen. Er erklärte Harper, was er machte, und schlug ihm vor, seine eigenen Hände ebenfalls zu schützen. »Obwohl es schade ist«, sagte Sharpe. »Das Hemd war neu.«
    »Ein Geschenk von einer gewissen Näherin in Lissabon?«, erkundigte sich Harper.
    »Allerdings.«
    Harper kicherte, dann stach er mit der Klinge nach oben. Sharpe tat dasselbe mit seinem Degen, und sie arbeiteten die meiste Zeit über schweigend in der Finsternis, spalteten und hieben Splitter des harten alten Holzes ab. Von Zeit zu Zeit trafen ihre Klingen auf Metall, und dann fluchten sie.
    »Das hier ist wahrhaftig wie Sprachunterricht«, sagte Sarah nach einer Weile.
    »Es tut mir leid, Miss«, sagte Sharpe.
    »Irgendwie bemerkt man es gar nicht, wenn man in der Armee ist«, erklärte Harper.
    »Fluchen alle Soldaten?«
    »Alle«, antwortete Sharpe. »Alle miteinander. Mit Ausnahme von Daddy Hill.«
    »General Hill«, erläuterte Harper. »Er ist für sein äußerst sauberes Mundwerk bekannt.«
    »Und Sergeant Read«, fügte Sharpe hinzu. »Er flucht nie. Er ist ein Methodist, Miss.«
    »Ich habe gehört, wie er geflucht hat«, sagte Harper, »als der verfluchte Batten acht Seiten aus seiner Bibel gestohlen hat, um sie als …« Plötzlich unterbrach er sich, weil er zu dem Schluss gekommen war, dass Sarah besser nicht erfuhr, wozu Batten die Bibelseiten benutzt hatte. Dann ließ er ein Ächzen hören, als ein Splitter wegbrach. »Das haben wir in null Komma nichts durchbrochen«, verkündete er fröhlich.
    Die Bretter der Falltür waren mindestens drei Zoll dick und durch zwei kompakte Balken an der Unterseite verstärkt. Das Holz war hart, aber sie hatten gelernt, es im Kern zu treffen, indem sie immer wieder auf es einstachen und dann kratzten und das gelockerte Holz wegbrachen. Fingerhutweise brach Holz ab, manchmal nur stäubchenweise, Splitter für Splitter, und die Enge unter den Stufen ließ ihnen nur wenig Platz. Sie mussten Pausen einlegen, um hin und wieder ihre Muskeln zu dehnen, und dann wieder hatte es den Anschein, als könne kein Stechen und kein Schaben ein weiteres Stück Holz lockern, denn die beiden Waffen eigneten sich für die Arbeit denkbar schlecht. Der Stahl war zu dünn, er konnte nicht zum brutalen Aushebeln verwendet werden, da man fürchten musste, dass die Klingen brachen. Sharpe benutzte einmal sein Messer, die Holzspäne wirbelten ihm in die Augen, dann rammte er wieder seinen Degen hinein, hatte seine mit Leinen umwickelte Hand nahe der Spitze, um den Stahl besser kontrollieren zu können. Und selbst wenn sie durchbrachen, dachte er, sie würden ja höchstens ein kleines Loch machen können. Gott allein wusste, wie sie es vergrößern sollten, aber jede Schlacht wurde gefochten, indem man einen Schritt nach dem anderen tat. Es war sinnlos, sich um die Zukunft zu sorgen, wenn es gar keine Zukunft geben würde, also arbeiteten er und Harper geduldig vor sich hin. Schweiß lief Sharpe die nackte Brust hinab, Fliegen krabbelten auf ihm herum, er hatte Staub im Mund, und seine Rippen taten ihm weh.
    Zeit verlor in der Dunkelheit ihre Bedeutung. Sie mochten erst eine Stunde gearbeitet haben oder auch schon zehn Stunden. Sharpe wusste es nicht, auch wenn er spürte, dass es draußen Nacht geworden sein musste, in einer Welt, die jetzt so unendlich weit

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