Sharpes Flucht
entfernt schien. Unermüdlich arbeitete er, versuchte, nicht an das Verstreichen der Zeit zu denken, und hackte und rammte und kratzte, bis er zuletzt mit dem Degen heftig zustieß und bemerkte, wie der Hieb ihm den Arm blockierte, weil die Spitze auf etwas gestoßen war, das härter war als Holz. Er tat es noch einmal, dann stieß er ein paar wilde Flüche aus. »Verzeihung, Miss.«
»Was ist los?«, fragte Vicente. Er war eingeschlafen und klang erschrocken.
Sharpe gab keine Antwort. Stattdessen benutzte er sein Messer, bohrte damit in dem kleinen Loch, dass er im oberen Teil des zerbrochenen Holzes gemacht hatte, und als er das Loch ausreichend vergrößert hatte, versuchte er, mit der Messerschneide an dem zu kratzen, was direkt über der Falltür lag, was immer es auch war. Wieder fluchte er. »Die Bastarde haben da oben Pflastersteine hingelegt«, sagte er. Er hatte einen Durchbruch erzielt, nur um jetzt auf unbeweglichen Stein zu stoßen. »Bastarde.«
»Mister Sharpe«, sagte Sarah, aber sie klang müde, als sei ihr bewusst, dass sie auf verlorenem Posten kämpfte.
»Vermutlich sind sie Bastarde, Miss«, sagte Harper, dann rammte er sein Schwertbajonett in das splitternde Loch, das er gemacht hatte, und wurde ebenfalls mit dem Geräusch von Stahl auf Stein belohnt. Er verlieh seiner Meinung Ausdruck, entschuldigte sich bei Sarah und ließ sich zu Boden plumpsen.
»Sie haben was gemacht?«, fragt Vicente.
»Sie haben Steine obendrauf gelegt«, erwiderte Sharpe. »Und auf die Steine noch anderes Zeug. Die Bastarde sind nicht so blöde, wie sie aussehen.« Er stieg die Stufen hinunter und setzte sich mit dem Rücken zur Wand. Er fühlte sich ausgelaugt, erschöpft, und jeder Atemzug schmerzte.
»Wir können nicht durch die Falltür gelangen?«, fragte Vicente.
»Keine verdammte Chance«, antwortete Sharpe.
»Und nun?«, fragte Vicente zögerlich.
»Und nun denken wir verdammt noch mal nach«, erwiderte Sharpe, aber ihm fiel nichts ein, das sie sonst noch tun konnten. Hölle und Verdammnis war alles, was er denken konnte. Sie saßen verdammt noch mal in der Falle.
»Wie kommen die Ratten hier herein?«, fragte Sarah nach einer Weile.
»Diese kleinen Bastarde können durch Löcher kriechen, die nicht größer als Ihr kleiner Finger sind«, antwortete Harper. »Eine anständige Ratte können Sie nicht draußen halten, nicht, wenn sie nach drinnen will.«
»Wo kommen sie also herein?«, beharrte sie.
»An der Kante der Falltür«, vermutete Sharpe, »da kommen wir nicht raus.«
In finsteres Schweigen versunken saßen sie da. Die Fliegen ließen sich wieder auf den beiden Leichen nieder. »Wenn wir unsere Waffen abfeuern«, sagte Vicente, »dann würde uns vielleicht jemand hören?«
»Nicht hier unten, auf keinen Fall«, sagte Sharpe, der es vorzog, all seine Kugeln für den Augenblick aufzuheben, wenn Ferragus sie holen kam. Er lehnte seinen Kopf gegen die Wand, schloss die Augen und versuchte zu denken. Die Decke? Steine und Ziegel. Hunderte von den verdammten Dingern. Er stellte sich vor, wie er hindurchbrach, und dann stand er plötzlich in einem Feld, auf dem Blumen leuchteten, eine Kugel zischte an ihm vorbei, dann noch eine, er wurde ins Bein getroffen und schreckte jäh aus dem Schlaf, als ihm bewusst wurde, dass ihn jemand auf den rechten Unterschenkel tippte. »Habe ich geschlafen?«, fragte er.
»Das haben wir alle«, antwortete Harper. »Gott weiß, wie spät es ist.«
»Jesus Christus.« Sharpe räkelte sich und verspürte Schmerzen in seinen Armen und Beinen, die von der Arbeit auf den engen Stufen herrührten. »Jesus«, wiederholte er wütend, »wir können es uns nicht erlauben zu schlafen. Nicht, wo diese Bastarde bald kommen.«
Harper gab keine Antwort. Sharpe konnte hören, wie sich der Ire bewegte, allem Anschein nach streckte er sich auf dem Boden aus. Er nahm an, der Ire wolle weiterschlafen, was ihm nicht gefiel, aber ihm fiel auch nichts Nützlicheres ein, das Harper hätte tun können, also sagte er nichts.
»Ich kann etwas hören«, sagte Harper nach einer Weile. Seine Stimme kam aus der Mitte des Kellers, vom Fußboden.
»Wo?«, fragte Sharpe.
»Legen Sie Ihr Ohr auf den Boden, Sir.«
Sharpe streckte sich der Länge nach aus und legte sein rechtes Ohr auf den Boden. Er hörte nicht mehr so gut wie früher. Zu viele Jahre im Feuer der Baker-Gewehre und Musketen hatten sein Gehör abgestumpft, aber er hielt den Atem an und lauschte angestrengt, und schließlich
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