Sharpes Flucht
Franzosen bereits durchsucht worden war. Weiter wagten sie nicht zu gehen, denn in den Straßen wimmelte es von Soldaten der Besatzer, also suchten sie im Keller des Hauses Schutz und beteten, dass man sie dort nicht finden würde.
»Wie lange bleiben wir hier?«, fragte Ferragus missgelaunt.
»Bis die Franzosen aufbrechen«, antwortete Ferreira.
»Und dann?
Darauf gab Ferreira ihm keine Antwort. Er dachte nach. Darüber, dass die Briten nicht so einfach auf ihren Booten abziehen würden, dachte er nach. Sie würden wiederum versuchen, die Franzosen aufzuhalten, vermutlich in der Nähe der neuen Forts, bei deren Errichtung er an der Nordstraße von Lissabon zugesehen hatte. Das bedeutete, dass die Franzosen kämpfen oder aber um die britischen und portugiesischen Armeen herum manövrieren mussten, und das verschaffte ihm Zeit. Zeit, um nach Lissabon zu gelangen. Zeit, um des Geldes habhaft zu werden, das im Gepäck seiner Frau versteckt war. Zeit, seine Frau und seine Kinder zu finden. Portugal stand vor dem Zusammenbruch, und die Brüder würden Geld brauchen. Viel Geld. Sie konnten auf die Azoren gehen oder sogar nach Brasilien, dort in Ruhe die Stürme abwarten und nach Hause zurückkehren, wenn alles vorüber war. Und wenn die Franzosen besiegt wurden? Dann würden sie trotzdem Geld brauchen, und das einzige Hindernis war Captain Sharpe, der von Ferreiras Verrat wusste. Der verfluchte Kerl war aus dem Keller entkommen, aber war er wirklich noch am Leben? Wahrscheinlicher war, dass die Franzosen ihn getötet hatten, denn Ferreira konnte sich nicht vorstellen, dass diese inmitten ihrer Orgie des Tötens und der Zerstörung noch Gefangene machten. Aber der Gedanke, dass der Schütze noch am Leben sein könnte, beunruhigte ihn dennoch. »Falls Sharpe noch lebt«, stellte er sich die Frage laut, »was machen wir dann?«
Ferragus spuckte aus, um ihm zu zeigen, was er von Sharpe hielt.
»Er wird zu seiner Armee zurückkehren«, beantwortete sich Ferreira seine eigene Frage.
»Und dort erzählen, dass du ein Verräter bist?«
»Dann steht mein Wort gegen seines«, erwiderte Ferreira. »Und wenn ich da bin, wird man seinem Wort nicht viel Gewicht beimessen.«
Ferragus starrte hinauf an die Kellerdecke. »Wir könnten behaupten, die Lebensmittel wären vergiftet gewesen«, schlug er vor. »Warum sagen wir nicht, es war eine Falle für die Franzosen?«
Ferreira nickte, um anzuerkennen, dass dieser Vorschlag nicht übel war. »Wichtig ist erst einmal, dass wir Lissabon erreichen«, sagte er. »Beatriz und die Kinder sind dort. Mein Geld ist ebenfalls dort.« Er dachte daran, nach Norden zu gehen und sich zu verstecken, aber je länger er sich von der Armee fernhielt, desto größer würde der Argwohn, den seine Abwesenheit erregte, anwachsen. Besser war es, die Sache durchzustehen und seinen Besitz zurückzuerlangen. Wenn er erst einmal das Geld hatte, konnte er überleben, was immer auch geschah. Außerdem vermisste er seine Familie. »Aber wie können wir nach Lissabon kommen?«
»Wir gehen nach Osten«, schlug einer der Männer vor. »Wir gehen nach Osten zum Tajo und lassen uns flussabwärts treiben.«
Ferragus starrte den Mann an und dachte nach, obwohl es im Grunde gar nichts zum Nachdenken gab. Er konnte nicht auf direktem Weg nach Süden gehen, weil dort die Franzosen sein würden. Wenn aber er und sein Bruder sich nach Osten durch die Berge schlagen und auf den Bergstraßen reisen würden, die die Franzosen nicht zu benutzen wagten, weil sie die Partisanen fürchteten, dann würden sie irgendwann den Tajo erreichen, und das Geld, das sie bei sich trugen, war mehr als genug, um ein Boot zu kaufen. Anschließend würden sie kaum mehr als zwei Tage bis nach Lissabon brauchen.
»Ich habe Freunde in den Bergen«, sagte Ferreira.
»Freunde?« Ferragus war dem Gedankengang seines Bruders nicht gefolgt.
»Männer, denen ich Waffen verschafft habe.« Als Teil seiner Pflichten hatte Ferreira britische Musketen an die Leute in den Bergen ausgeteilt, um sie zu ermutigen, sich den Partisanen anzuschließen. »Sie werden uns Pferde geben«, sagte er zuversichtlich. »Und sie werden wissen, ob die Franzosen in Abrantes sind. Wenn nicht, können wir uns dort ein Boot suchen. Und die Männer in den Bergen können noch etwas anderes für uns tun. Wenn Sharpe noch am Leben ist …«
»Er muss inzwischen tot sein«, beharrte Ferragus.
»Wenn er noch am Leben ist«, fuhr Major Ferreira geduldig fort, »dann wird er
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