Sharpes Flucht
Verwundeten hinweg und holte sein Gewehr. Er lud es fertig, dann ging er zurück in den Gang, wo Vicente Miguel vernahm.
»Er will nicht reden«, sagte Vicente. »Nur nach einem Arzt hat er gefragt.«
»Wo ist er getroffen worden?«
»In die Seite«, sagte Vicente und zeigte auf Miguels Taille, wo seine Kleider dunkel von Blut waren.
»Frag ihn, wo Ferragus ist.«
»Er will es mir nicht sagen.«
Sharpe stellte seine Stiefelsohle auf das blutdurchtränkte Stück Stoff, und Miguel entfuhr ein Schmerzenslaut. »Frag ihn noch einmal«, sagte Sharpe.
»Sharpe, du kannst nicht …«, begann Vicente.
»Frag ihn noch einmal«, knurrte Sharpe und starrte Miguel in die Augen. Dann lächelte er den verwundeten Mann an, und in diesem Lächeln lag unendlich viel Bedeutung. Miguel begann zu reden. Sharpe ließ seinen Fuß auf der Wunde und lauschte Vicentes Übersetzung.
Die Ferreira-Brüder nahmen an, dass Sharpe aller Wahrscheinlichkeit nach tot sein musste, aber auch, dass er nicht von Bedeutung war, solange sie die Armee zuerst erreichten und ihre Version der Vorfälle schildern konnten. Und sie versuchten, die Armee zu erreichen, indem sie über die Berge marschierten. Sie gingen in Richtung Castelo Branco, denn die Straße in diese Stadt würde frei von Franzosen sein, aber sie hatten vor, nach Süden abzubiegen, sobald sie sich dem Fluss näherten. Sie wollten nach Lissabon gelangen, denn dort hatte die Familie mit dem Vermögen des Majors vorübergehend Unterschlupf gefunden, und sie hatten Miguel und zwei andere zurückgelassen, damit sie den Besitz in Coimbra bewachten.
»Ist das alles, was er weiß?«, fragte Sharpe.
»Ja, das ist alles, was er weiß«, antwortete Vicente und schob Sharpes Fuß von Miguels Wunde herunter.
»Frag ihn, was er sonst noch weiß«, sagte Sharpe.
»Du kannst doch den Mann nicht foltern«, tadelte Vicente ihn.
»Ich foltere ihn nicht«, erwiderte Sharpe. »Aber ich werde es verdammt noch mal tun, wenn er uns nicht alles erzählt.«
Wieder sprach Vicente mit Miguel, und Miguel schwor bei der gebenedeiten Jungfrau, dass er ihnen alles, was er wusste, erzählt hatte, aber Miguel hatte gelogen. Er hätte sie vor den Partisanen, die in den Hügeln lauerten, warnen können, aber er nahm an, dass er sterben würde, und als letzten Wunsch hoffte er, dass die Männer, die auf ihn geschossen hatten, ebenfalls sterben würden. Diese Männer verbanden ihm die Wunde und versprachen, dass sie einen Arzt für ihn finden würden, aber kein Arzt traf ein, und Miguel, der allein in dem Haus zurückblieb, verblutete langsam.
Und Sharpe und seine Gefährten verließen die Stadt.
Die Brücke wurde nicht bewacht. Das verblüffte Sharpe, dann aber nahm er an, dass die französische Garnison sehr klein war, was bedeutete, dass der Feind beschlossen hatte, all seine Truppen in den Sturm auf Lissabon zu werfen und dafür das Risiko einzugehen, Coimbra praktisch unbewacht zurückzulassen. Leute auf der Straße erzählten ihm, dass das Kloster von Santa Clara voller Soldaten war, aber dem Kloster konnten sie leicht ausweichen, und am späten Vormittag befanden sie sich bereits ein ganzes Stück südlich der Stadt und auf dem Weg nach Lissabon.
In der Tat gab es am Straßenrand jede Menge weggeworfene Beute aus Plünderungen, aber Scharen von Menschen durchwühlten diese Hinterlassenschaften, sodass Sharpe keine Möglichkeit hatte, nach Kleidern und Stiefeln für die Frauen zu suchen. Auch konnte er nicht länger auf der Straße bleiben, denn dadurch würde er unvermeidlich auf die französische Nachhut stoßen. Also schlugen sie sich, sobald die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, nach Osten ins freie Land. Sarah und Joana, die beide kein festes Schuhwerk besaßen, gingen barfuß.
Sie stiegen steile Hügel hinauf. Die wenigen Dörfer waren verlassen, und am Nachmittag erreichten sie Waldland. Bei einem großen Felsvorsprung, der wie der Bug eines monströsen Schiffes über das Tal ragte, hielten sie an, um zu rasten. Vom Gipfel des Vorsprungs konnte Sharpe die französischen Truppen tief unter sich sehen. Er nahm sein Fernglas heraus, stellte fest, dass es die Kämpfe unbeschadet überstanden hatte, und richtete es nach unten auf die Schatten des Tals, wo er fünfzig oder mehr Dragoner entdeckte, die in einem kleinen Dorf nach Essbarem suchten.
Sarah gesellte sich zu ihm. »Darf ich?«, fragte sie und griff nach dem Fernglas. Sharpe gab es ihr, und sie blickte in die Tiefe. »Sie gießen
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